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Können wir die Erde vor Weltraumwetter schützen?

Ein gewaltiger Sonnensturm hatte verheerende Auswirkungen auf die Kommunikationstechnologie des 19. Jahrhunderts. Ist unsere moderne verdrahtete Welt sogar noch anfälliger? Wir bitten Weltraumphysikerin Minna Palmroth, eine Vorhersage zu treffen.

Anfang September 1859 konnte man das Polarlicht plötzlich weit im Süden sehen – bis in der Karibik. Ursache war ein geomagnetischer Sonnensturm, genauer gesagt ein koronaler Massenauswurf, der nach dem Astronomen, der ihn aufgezeichnet hat, als „Carrington-Ereignis“ bezeichnet wird. Die Sonneneruption erreichte die Erde in 17,6 Stunden, die Störungen hielten etwa drei Tage lang an. „In zeitgenössischen Berichten heißt es, dass Telegrafengeräte entweder nicht funktionierten, ohne eingeschaltete Batterien funktionierten – dank dieser unabhängigen elektromagnetischen Energiequelle – oder einfach in Brand gerieten“, sagt Palmroth von der Universität Helsinki. Wären die Auswirkungen eines heutigen Ereignisses ähnlichen Ausmaßes angesichts unserer zunehmenden Abhängigkeit von der Elektronik weitreichender und langfristiger spürbar? „Wir gehen zwar davon aus, wissen es aber nicht wirklich. So entstand meine Forschung“, fügt Palmroth, ehemalige Vorsitzende der Beratenden Gruppe für Raumfahrt der Europäischen Union (EU), hinzu. „Die historischen Aufzeichnungen legen nahe, dass Ereignisse dieser Größenordnung alle 100-150 Jahre auftreten könnten. Ich denke, ich werde beim nächsten Mal dabei sein.“

Wodurch entstehen Sonnenstürme?

Die Sonne setzt ständig einen Strom geladener Teilchen in den Weltraum frei, sei es in Form von schnellen Ausbrüchen hochenergetischer Teilchen geringer Dichte bei Sonneneruptionen oder in Form von Plasmawolken, die aus Teilchen mit geringerer Energie, aber hoher Dichte bestehen. Das Magnetfeld der Erde lenkt diese Teilchen in die Polarregionen ab, woraus das Polarlicht entsteht – obwohl die Auswirkungen noch weiter reichen. „Selbst wenn man den Weltraum ab einer Entfernung von etwa 100 km vom Boden festlegt, kann das Weltraumwetter Auswirkungen am Boden haben“, erklärt Palmroth. Im Jahr 2012 beobachtete der NASA-Satellit STEREO eine Sonneneruption im Carrington-Maßstab, die die Erde zum Glück um ein paar Tage verfehlte. Hätte sie die Magnetosphäre der Erde erreicht, wäre es wahrscheinlich zu einer erheblichen Störung der Kommunikations-, Strom- und Verkehrsnetze gekommen. „Solche Veränderungen des Erdmagnetfelds erzeugen geomagnetisch induzierte Ströme, während Sonnenpartikel ionosphärische Funksignale behindern und die erdnahe Weltraumstrahlung durch eingefangene Teilchen erhöhen“, fasst Palmroth zusammen. Überladene geomagnetisch induzierte Ströme können zusätzliche Gleichströme in Stromnetzen erzeugen und diese lahm legen, wie 2003 im schwedischen Malmö geschehen. Sonnenpartikel stören Kommunikationssignale, indem sie eine variable Dichte der Ionosphäre erzeugen. Dies beeinträchtigt Geräte, die Hochfrequenz-Bandbreiten nutzen, wie z. B. Radar. Damit würde auch die GPS-Navigation in Handys und Autos unzuverlässig werden und ein Verlust von Satellitenzeitstempeln einhergehen, die für Finanzdienstleistungen und andere Branchen unerlässlich sind. Eine erhöhte erdnahe Weltraumstrahlung hätte direkte Auswirkungen auf Satelliten, die für Wetter, Navigation und Erdbeobachtung eingesetzt werden. Je nach Umlaufbahn können Materialien durch die Strahlenbelastung geschädigt oder durch das direkte Auftreffen von hochenergetischen geladenen Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen, vollständig zerstört werden. „Hierbei handelt es sich allerdings lediglich um fundierte Spekulationen“, gibt Palmroth zu bedenken. „Während wir über viele Überwachungsgeräte für das terrestrische Wetter verfügen, verlassen wir uns bei den wahrscheinlichen Auswirkungen des Weltraumwetters auf die Infrastruktur weitgehend auf Modelle.“

Das Weltraumwetter vorhersagen

Dank eines ERC Grants vor über 15 Jahren entwickelte Palmroth ein Instrument zur Modellierung der Weltraumumgebung, das die Vorteile von Supercomputern nutzen sollte, die es damals noch gar nicht gab. Der daraus resultierende Vlasiator-Simulator, der kürzlich im Rahmen des Projekts PRESTISSIMO optimiert wurde, zeigt Ort, Geschwindigkeit und Flugbahn von hochenergetischen Teilchen im Weltraum. „Am Anfang dachten die Leute, ich sei verrückt. Jetzt verfügen wir über den weltweit genauesten Weltraumsimulator, der die größten Supercomputer Europas nutzt, um Phänomene zu visualisieren, die vorher unsichtbar blieben. Da Vlasiator quelloffen ist, wird er auch von anderen Forschenden genutzt, unter anderem zur Modellierung anderer Planeten“, fügt Palmroth hinzu. Palmroth bewertet nun die wahrscheinlichen Auswirkungen des Weltraumwetters auf die Erde, wobei sie zwei Forschungsfragen in den Vordergrund stellt: wie sich geomagnetisch induzierte Ströme auf Stromnetze auswirken könnten und wie Teilchenfluss und -energie Satelliten beeinflussen. Beide Fragen sind schwierig zu beantworten, da sie kommerziell und politisch sensible Informationen über die Konfiguration der Stromnetze und Satelliten erfordern. Daher arbeitet das Team derzeit mit finnischen Daten. „Wir wissen, dass die finnischen Stromnetze den wahrscheinlichsten Auswirkungen des Weltraumwetters standhalten können, weil unsere Transformatoren zusätzliche Gleichströme besser aufnehmen können als in den meisten europäischen Ländern“, sagt Palmroth. „Bedeutet das, dass im schlimmsten Fall in ganz Europa nur noch in Finnland das Licht brennt? Wir wissen es nicht.“ Das Projekt CARRINGTON kooperiert mit der finnischen Bereitschaftsgemeinschaft, um an der Risikominderung zu arbeiten. „Bei einem vom Ausmaß her ähnlichen Ereignis wie dem nach Carrington benannten stellt sich die Frage: Was ist binnen 17 Stunden umsetzbar? Der Plan muss fertig in der Schublade liegen“, so Palmroth. Hier erfahren Sie mehr über Palmroths Forschung: Neue Modelle versprechen genaue Weltraumwettervorhersagen für die Zukunft

Schlüsselbegriffe

PRESTISSIMO, Weltraum, Wetter, Sonne, Stürme, Satellit, Magnetosphäre, Erde, Partikel, Minderung