Einzelzellansatz rückt virale Infektionen in neues Licht
Phytoplankton nennt man einzellige Mikroalgen, die eine enorm wichtige Rolle bei der Photosynthese spielen, also dem Prozess, bei dem Pflanzen Kohlendioxid absorbieren, um zu leben. Tatsächlich findet die Hälfte der gesamten photosynthetischen Aktivität im Meer statt. „Kohlenstoff wird in den Blüten von Algen gespeichert, die sich Tausende Kilometer weit verbreiten können“, erläutert Assaf Vardi, Projektkoordinator von Virocellsphere. „Ein Tropfen dieses Meereswassers würde Tausende dieser einzelligen Organismen enthalten.“ Diese Blüten werden in der Regel von Riesenviren infiziert und sterben dann binnen einer Woche ab. Dabei werden erhebliche Mengen an organischem Kohlenstoff, Schwefel und weiteren Molekülen freigesetzt. Dieser Prozess ist ein wichtiger Bestandteil der Nahrungskette im Meer und folglich für die Lebenserhaltung von wesentlicher Bedeutung. „Aktuelle wissenschaftliche Ansätze zur Ergründung dieses Prozesses konzentrieren sich meist schlicht auf die Quantifizierung der Bestandsgröße und Vielfalt der Viren“, so Vardi. „Die Abläufe bei der viralen Infektion werden nur unzureichend erfasst.“
Wechselwirkungen zwischen Wirt und Virus
Vardi, Professor an der Fakultät für Pflanzen- und Umweltwissenschaften des Weizmann-Instituts für Wissenschaften in Israel, wollte die spezifischen Wechselwirkungen zwischen Wirt und Virus näher beleuchten. Ziel seiner Forschungen war, nicht nur die Vorgänge auf Einzelzellebene beim Eindringen eines Virus in eine einzelne Zelle zu erfassen, sondern auch die Abläufe der Wirt-Virus-Wechselwirkungen auf Ebene der Phytoplanktonblüte. „Im Innersten sind mein Laborteam und ich eigentlich Meeresökologen“, ergänzt er. „Faktisch erforschen wir aber die Zellbiologie. Mir ging es darum, diese beiden Disziplinen zu vereinen.“ Dazu entwickelte Vardi Möglichkeiten, bestimmte infizierte Zellen zu quantifizieren und ins Visier zu nehmen. So konnte sein Laborteam die konkreten Vorgänge auf der intrazellulären Ebene untersuchen. Im nächsten Schritt wollte Vardi seine Studie im Maßstab vergrößern und in diesem Rahmen prüfen, ob die infizierten Zellen Signalmoleküle freisetzten, um den Virenbefall abzuwehren oder zu vermehren. Hierbei wendete er im Labor entwickelte Einzelzellverfahren in Verbindung mit chemischen Analysen an, um die kleinen, während der Infektion freigesetzten Moleküle, die sogenannten Metaboliten, zu erfassen.
Eine Art „Flaschenpost“
„Wir suchten nach dem spezifischen Riesenvirus, das die Blüte der von uns als Modell verwendeten Algen tötete“, erklärt Vardi. „Flora Vincent, eine promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterin im Vardi-Labor, und ich entdeckten, dass lediglich rund ein Drittel der Algenpopulation infiziert wurde. Warum aber kollabierte dann die gesamte Phytoplanktonblüte auf synchronisierte Art und Weise?“ Vardi und eine weitere Kollegin, Daniella Schatz, fanden heraus, dass die mit diesen Viren infizierten Algenzellen Vesikel, eine Art „Flaschenpost“, freisetzen. Die darin enthaltenen RNA-Moleküle können nicht infizierte Zellen auf einen Virenbefall vorbereiten. So ließe sich auch erklären, warum die Phytoplanktonblüte scheinbar synchron kollabiert. „Zunächst dachten wir, das sei ein Abwehrmechanismus“, merkt Vardi an. „Was hier tatsächlich geschah, konnten wir erst erkennen, als wir das Zellinnere unter die Lupe nahmen.“ Wie dieses Ergebnis verdeutlicht, konnte das Projekt Virocellsphere die Forschung zu viralen Infektionen einen wichtigen Schritt voranbringen. Grundsätzlich betrachtet zeigten Vardi und sein Team, dass sich bestimmte Viren durch chemische und Einzelzellansätze im Feldversuch ergründen lassen. Darüber hinaus könnten die entwickelten Werkzeuge der Wissenschaft dabei helfen, die Auswirkungen von Viren auf die Meeresumwelt, den Einfluss auf deren Ökologie und Evolution sowie den Kreislauf wichtiger Nährstoffe wie Kohlenstoff und Schwefel eingehender zu erforschen.
Schlüsselbegriffe
Virocellsphere, Algen, Blüte, Algenblüte, Virus, antiviral, Infektion, Evolution, Phytoplankton