Züchtung widerstandsfähiger Nutztiere
Infektionskrankheiten sind die Ursache niedrigerer Fruchtbarkeits-, Produktivitäts- und Überlebensraten von Viehbeständen auf der ganzen Welt. Da die Bekämpfung dieser Krankheiten mit hohen Kosten verbunden ist, sinkt die Profitabilität der Viehwirtschaft erheblich. Zur Züchtung widerstandsfähiger Nutztiere wird infolgedessen viel Forschungsarbeit betrieben. Jedoch werden die Ergebnisse bisher kaum in Zuchtprogrammen umgesetzt. Auf der Suche nach Lösungen für dieses Problem untersuchten Forschende mit Unterstützung des EU-finanzierten Projekts SMARTER (SMAll RuminanTs breeding for Efficiency and Resilience), wie künftige Zuchtprogramme von der aktuellen Forschung zur Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten profitieren können. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in der Fachzeitschrift „Genetics Selection Evolution“ veröffentlicht. Laut der Studie gibt es neue vielversprechende Strategien zur Züchtung von Vieh mit höherer Krankheitswiderstandsfähigkeit. Diesen Strategien liegen sowohl die jüngsten Fortschritte in den Bereichen der Genomik- und Phänotypisierungstechnologien sowie der Geneditierung als auch die zukunftsträchtigen Entwicklungen statistischer Methoden zugrunde. Mithilfe dieser Ansätze und den daraus abgeleiteten Daten können die Reaktion der Tiere auf spezifische Krankheitserreger optimiert und die Tiere bestimmt werden, die eine hohe genetische Widerstandsfähigkeit gegen viele Erkrankungen aufweisen. „Infektionskrankheiten belasten Vieherzeuger und deren Tiere weiterhin in hohem Maße“, sagte Prof. Andrea Doeschl-Wilson vom Projektpartner, der Universität Edinburgh, in einer auf der Website der Universität veröffentlichten Pressemitteilung. „Durch die Anwendung neuer statistischer Methoden auf der Grundlage von durch Genomik- und automatisierte Aufzeichnungstechnologien erfassten Big Data können wir Vieh züchten, das widerstandsfähiger gegenüber Infektionen ist.“ Die Forschenden entwickelten mathematische Modelle, um zu ermitteln, wie Krankheitswiderstandsfähigkeit die Produktivität von Viehbeständen beeinflusst. In diesen Modellen definierten sie Krankheitswiderstandsfähigkeit hinsichtlich zweier Eigenschaften: Resistenz (die Unempfindlichkeit eines Tieres gegenüber schädlichen Organismen, die es infizieren) und Toleranz (die Fähigkeit eines infizierten Tieres, die durch die Infektion verursachten Schädigungen zu begrenzen). Es wurden Daten aus einer früheren Studie zum Reproduktions- und Atemwegssyndrom der Schweine – eine Infektionskrankheit, die große wirtschaftliche Auswirkungen auf die weltweite Schweineindustrie hatte – verwendet. Die Ergebnisse zeigten, dass der wirtschaftliche Wert selektiver Zucht, die auf Krankheitsresistenz und-toleranz unter infektiösen Bedingungen beruht, dreimal höher ist als der Wert der Zucht, der Produktionseigenschaften unter krankheitsfreien Bedingungen zugrunde liegen.
Vier Ansätze für die Zucht widerstandsfähiger Tiere
Das Team untersuchte die Folgen der Nichtberücksichtigung von Resistenz und Toleranz in Zuchtprogrammen, in denen die Widerstandsfähigkeit als Produktion unter infektiösen Bedingungen erfasst wird, bei denen die Anzahl schädlicher Organismen, die den Viehbestand infizieren, unbekannt ist. Sie betrachteten insbesondere das Risiko einer ungünstigen genetischen Korrelation zwischen Resistenz und Toleranz, wobei ein Kompromiss zwischen diesen beiden Eigenschaften die genetische Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gefährden könnte. Im Ergebnis schlugen die Forschenden vier alternative Ansätze für die Erstellung eines auf der Krankheitswiderstandsfähigkeit beruhenden Zuchtprogramms vor. Der erste Ansatz sieht die Erfassung von Infektionsraten und Produktionseigenschaften des Viehbestands im Laufe der Zeit vor, um zu ermitteln, wie Resistenz und Toleranz die Reaktion der Tiere auf Infektionen beeinflussen. Die zweite Alternative zielt auf die Minimierung des Risikos für ungünstige Ergebnisse ab, die durch Kompromisse verursacht werden. Dabei sollen Gengruppen ausgewählt werden, die bekanntermaßen einen positiven Einfluss sowohl auf die Resistenz als auch auf die Toleranz haben. Im Rahmen des dritten Ansatzes ist die schnelle Modifizierung der Krankheitsresistenz oder -toleranz auf ein nahezu vollständiges Niveau vorgesehen. Die vierte Alternative besteht in der Prüfung grundlegend unterschiedlicher Ansätze, die Widerstandsfähigkeit als die Fähigkeit der Tiere definieren, eine Infektion abzuwehren oder sich davon zu erholen. Im Rahmen des Projekts SMARTER wird untersucht, wie die genetische Selektion zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und Effizienz von Viehbeständen, insbesondere von Schafen und Ziegen, beitragen kann. Das vierjährige Projekt endet 2022. Weitere Informationen: SMARTER-Projektwebsite
Schlüsselbegriffe
SMARTER, Viehbestand, Krankheitswiderstandsfähigkeit, Züchtung, Resistenz, Toleranz