Neue Erkenntnisse über dunkle Materie
Obwohl sie fast 80 % der Materie des Universums ausmacht, bleibt die dunkle Materie größtenteils ein Rätsel. „Es gibt zwar überwältigende Beweise dafür, dass dunkle Materie auf allen kosmologischen Skalen existiert, doch bisher konnte noch kein Experiment diese schwer fassbare Substanz nachweisen“, so Kai Schmidt-Hoberg, Physiker bei DESY. „Wenn es darum geht, zu verstehen, woraus dunkle Materie besteht und wie sie sich verhält, tappen wir weitgehend im Dunkeln.“ Schmidt-Hoberg leitet das EU-finanzierte Projekt NewAve, welches das Rätsel der dunklen Materie zu lösen versucht. Zu diesem Zweck bauen die Forschenden theoretische Modelle der dunklen Materie und untersuchen neue Collider-Signaturen. Darüber hinaus entwickeln sie auch neue Techniken zum Vergleich und zur Interpretation von Experimenten zum direkten Nachweis der dunklen Materie sowie zur Ermittlung astrophysikalischer Sonden, welche die Selbstwechselwirkungen der dunklen Materie einschränken oder nachweisen.
Erweiterung des experimentellen Spiegels
Das Projekt des Europäischen Forschungsrates verfolgte einen multidisziplinären Ansatz und brachte Sachverständige aus der theoretischen und experimentellen Teilchenphysik, Astrophysik und Kosmologie zusammen. „Der Umfang dieses Projekts war sehr breit gefächert und berücksichtigte viele verschiedene mögliche Inkarnationen der dunklen Materie in unterschiedlichen Bereichen“, erklärt Schmidt-Hoberg. Das Projektteam arbeitete eng mit mehreren experimentellen Forschenden zusammen und nutzte dabei experimentelle Technologie. So setzten die Forschenden von NewAve beispielsweise Hochenergie-Maschinen wie den großen Hadronen-Speicherring, Niederenergie-Speicherringe wie den Belle II und Experimente mit Strahlfalle wie das NA62-Experiment ein. Diese Kooperationen führten laut Schmidt-Hoberg zu neuartigen Suchstrategien, die sehr wichtig sind, um diese Versuchsanlagen voll auszunutzen und ihre Suche nach der dunklen Materie zu unterstützen. Zum Beispiel entdeckten die Forschenden neue Signaturen, die mithilfe vorhandener Experimente beobachtet werden können. Außerdem untersuchten sie, welche neuen Designexperimente nötig wären, um die interessantesten Szenarien der dunklen Materie abzudecken. „Obwohl es immer noch kein klares experimentelles Signal für das schwer fassbare Teilchen der dunklen Materie gibt, hat das Projekt NewAve unserem experimentellen Spiegel weitere Optionen hinzugefügt“, merkt Schmidt-Hoberg an. „Damit haben wir jetzt eine bessere Chance, es bei zukünftigen Suchvorgängen zu entdecken.“
Die Suche wird fortgesetzt
Das Projekt hat eine erhebliche Anzahl wissenschaftlicher Publikationen hervorgebracht. „Ich gehe davon aus, dass einige davon einen nachhaltigen Einfluss auf die gesamte Wissenschaftsgemeinde im Bereich der dunklen Materie haben werden“, so Schmidt-Hoberg abschließend. „Das verbesserte theoretische Verständnis der dunklen Materie, zu dem dieses Projekt beigetragen hat, eröffnet neue Wege für unsere fortwährende Suche nach dunkler Materie.“ Schmidt-Hoberg profitierte aber auch persönlich von dem Projekt. Aufgrund des Erfolgs des Projekts konnte er sich nämlich eine Stelle als fester Mitarbeiter bei der DESY Theory Group sichern – eine Position, in der er seine Arbeit zur dunklen Materie fortsetzen wird.
Schlüsselbegriffe
NewAve, dunkle Materie, Collider-Signaturen, Physik, Astrophysik, Kosmologie