Wie „kleine Werkzeuge“ den Erfolg oder Misserfolg der Bioökonomie bestimmen
Aus kleinen Eicheln wachsen mächtige Eichen. In der bioökonomischen Forschung werden solche kleinen Eicheln von einigen als „kleine Werkzeuge“ bezeichnet. Dazu gehören z. B. Strategiedokumente, Budgets, Expertenberichte, Forschungsprotokolle und Algorithmen. Natürlich würden diese kleinen Werkzeuge, für sich allein genommen, wohl keinen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Bioökonomie ermöglichen. In der Summe hingegen sind sie sehr wirkungsvoll. „Wenn man die Bioökonomie genau studiert, wird klar, dass sie durch eine große Anzahl kleiner Werkzeuge ermöglicht wird, die in Regierung, Märkten und Wissenschaft Einsatz finden. Dokumente sind in diesen drei Bereichen besonders bedeutsam“, meint Kristin Asdal vom norwegischen Zentrum für Technologie, Innovation und Kultur. Der Kabeljau verdeutlicht recht gut, weshalb er von Asdal für ihre Forschung im Rahmen ihres vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts LITTLE TOOLS ausgewählt wurde. Aus der Perspektive dieses Nischenmarktes impliziert die Bioökonomie eine Umstellung von wild gefangenem Kabeljau auf domestizierten, für die Aquakultur geeigneten Kabeljau. Das ist keine leichte Aufgabe: Die Reproduktion des domestizierten Kabeljaus ist schwer zu kontrollieren. Er entweicht immer wieder durch Netze und ist anfällig für Krankheiten. Um ihn zur Marktreife zu bringen, müssen biologische und wirtschaftliche Aspekte neu gestaltet werden. „Das Heranzoomen auf eine Art erlaubt es uns, zu verstehen, wie Natur – sozusagen der Kabeljau selbst – und Märkte gleichzeitig untersucht werden müssen. Wir haben den Begriff ,Ko-Modifikation‘ vorgeschlagen, um zu erfassen, wie beide Seiten gleichzeitig bearbeitet und modifiziert werden können. Konkret befassen wir uns mit den kleinen Werkzeugen, die von Regierung, Märkten und Wissenschaft gleichzeitig eingesetzt werden“, erklärt Asdal.
Ein komplexes Netz
Das Projekt LITTLE TOOLS, das Ende des Jahres fertiggestellt werden soll, konzentrierte sich im Wesentlichen auf die Sammlung wertvoller Daten (die kleinen Werkzeuge der Bioökonomie) und deren Analyse. Die Liste der betrachteten Werkzeuge reicht von Verbraucherumfragen und Innovationsdokumenten bis hin zu Beleuchtungstechnologien in Fischkäfigen. Die Idee ist einfach: Um zu begreifen, wie diese Werkzeuge funktionieren und wie sie in größeren Assemblagen miteinander verbunden sind, muss zunächst verstanden werden, wie große Übergänge wie z. B. die Einführung der Bioökonomie in der Praxis zustande kommen – oder nicht zustande kommen. Das Projekt hat bereits zu wichtigen Erkenntnissen darüber beigetragen, wie sich die Bioökonomie und ihre Vorläufer historisch entwickelt haben. Eine umfangreiche Geschichte, die nie erzählt worden sei, wie Asdal betont. „Wir haben eine tiefgreifende Fallstudie durchgeführt, welche die Vermarktung des wilden Kabeljaus verfolgt, und uns außerdem darum bemüht, einen lebensfähigen domestizierten Kabeljau zu produzieren. Andere Fallstudien haben gezeigt, wie die „blaue Bioökonomie“ auf Berechnungen der zukünftigen Wertproduktion aufbaut. Ein solcher Ansatz ist im Hinblick auf Umweltbelange höchst problematisch. Die Prognosen gehen davon aus, dass alle aktuellen Umweltprobleme gelöst sein werden, ohne dass die Umweltkosten für die Erreichung des erwarteten Wachstums auch nur in Betracht gezogen werden. Alles in allem stehen wir vor der ernsten Gefahr, eine Bioökonomie aufzubauen, die in Wirklichkeit eine Bedrohung für Natur und Umwelt darstellt“, fügt sie hinzu. Wie können wir dies nun verhindern? „Unsere Empfehlung lautet, in der Planungsphase vorsichtiger zu sein und zu verhindern, dass das ‚Vorsorgeprinzip‘ (die Vorstellung, dass etwas gefährlich ist, solange nicht das Gegenteil bewiesen wurde) durch optimistische Berechnungen des zukünftigen Wachstumspotenzials beiseitegeschoben wird“, merkt Asdal an. Das ist jedoch noch nicht alles. Sie drängt auch die Politik und Regierungsbehörden, bei der Aquakulturplanung einen „ganzheitlichen“ Ansatz zu verfolgen, bei dem alle relevanten Überlegungen aktiv berücksichtigt und effektiv ausbalanciert werden. „Damit soll vermieden werden, dass Natur und Umwelt lediglich als externe Effekte der Wertschöpfung definiert werden. Was wir wirklich tun müssen: dem massiven Druck, den Aquakulturprojekte auf unsere Ozeane, Fjorde, Flüsse und Wildbestände an Kabeljau, Lachs, Forelle und Garnelen ausüben, ernsthaft Beachtung schenken.“ Schließlich hofft Asdal, dass das Projekt den politisch Verantwortlichen dabei helfen wird, fundiertere Entscheidungen zu treffen und optimistischen Wachstumsszenarien kritisch gegenüberzustehen.
Schlüsselbegriffe
LITTLE TOOLS, Aquakultur, Bioökonomie, blaue Bioökonomie, Kabeljau, Norwegen