Licht der Hoffnung für die Forschung zu erneuerbaren chemischen Brennstoffen
Pflanzen sind eines der größten technischen Meisterwerke der Natur. Sie binden riesige Mengen CO2 aus der Atmosphäre, produzieren den Sauerstoff, den wir atmen, und sind in der Lage, aus Sonnenlicht chemische Energie zu erzeugen. Diese zuletzt genannte Fähigkeit macht sie sogar zu einer wichtigen Inspirationsquelle für Forschende, die umweltfreundliche Alternativen zu chemischen Brennstoffen entwickeln wollen. Aber viele sind bei dem Versuch, diesen Prozess nachzuahmen, an ihre Grenzen gestoßen. „Eine Plattform zu entwerfen, die Sonnenlicht ‚ernten‘ und sie in die chemische Energie eines Brennstoffs umwandeln kann, ist sicherlich eine Herausforderung“, so Bettina Lotsch, Direktorin am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung und wissenschaftliche Leiterin des vom Europäischen Forschungsrat finanzierten Projekts COFLeaf (Fuel from sunlight: Covalent organic frameworks as integrated platforms for photocatalytic water splitting and CO2 reduction). „Dies ist besonders im Hinblick auf die Materialien eine Herausforderung. Wir müssen eine komplexe Abfolge physikalisch-chemischer Prozesse, jeder mit seinem eigenen Zeitrahmen und Materialbedarf, innerhalb einer Plattform aus reichlich auf der Erde vorhandenen und stabilen Materialien orchestrieren.“ Mit ihrem vom Europäischen Forschungsrat zur Verfügung gestellten Stipendium wollte Lotsch Photokatalysatoren der nächsten Generation entwickeln, die genau dies leisten können. Sie beschloss, sich auch von anorganischen Photokatalysatoren wegzubewegen: Diese sind oft giftig, kostenintensiv und schwer abzustimmen. Stattdessen traf sie die Entscheidung, sich auf organische Systeme zu konzentrieren, die „von der Größe des einzelnen Atoms aufwärts“ abstimmbar sind. „Unsere Materialien werden als kovalente organische Gerüstverbindungen bezeichnet. Sie ähneln ein wenig dem Apparat für die natürliche Photosynthese einer Pflanze: auf CO2 basierend, sehr vielseitig, molekular eindeutig definiert und zugänglich für die Werkzeuge der organischen Synthese“, erklärt Lotsch. Kovalente organische Gerüstverbindungen können als eine Brücke zwischen organischen Molekülen und Festkörpermaterialien angesehen werden. Einfache organische Verbindungen werden miteinander verknüpft, um kovalente organische Gerüstverbindungen zu bilden, wodurch die resultierenden Materialien mittels einfacher chemischer Verfahren in ihrer Zusammensetzung abgestimmt werden können. Im Gegensatz zu den meisten anderen organischen Polymermaterialien haben kovalente organische Gerüstverbindungen auch den Vorteil, dass sie eine Struktur besitzen, die sich leicht untersuchen lässt: Als Kristalle sind sie in der Tat für eine Reihe von Beugungs- und Mikroskop-Sonden zugänglich, die einzigartige Einblicke in ihre Festkörperstrukturen ermöglichen. „Kovalente organische Gerüstverbindungen weisen viele Vorteile auf“, merkt Lotsch an. „Sie haben einen außergewöhnlich hohen Grad sowohl an kompositorischer als auch struktureller Abstimmbarkeit, was sie von klassischen Polymeren unterscheidet. Darüber hinaus bringt ihre strukturelle Porosität einen Pluspunkt gegenüber anderen Photokatalysatoren in Bezug auf die Oberfläche mit sich. Als Faustregel gilt: je grösser die Oberfläche, desto besser die katalytische Aktivität.“
Ein neues und vielversprechendes Forschungsgebiet
Nach fünf Jahren Forschung konnten Lotsch und ihr Team erfolgreich nachweisen, dass kovalente organische Gerüstverbindungen als reichlich auf der Erde vorhandene und hochgradig abstimmbare Energieumwandlungssysteme ein großes Potenzial aufweisen. Ein so enormes Potenzial, dass es ein neues Forschungsfeld, die sogenannte „weiche Photokatalyse“, eröffnete. Das vielleicht wichtigste Ergebnis des Projekts ist der Nachweis, dass kovalente organische Gerüstverbindungen Licht effizient „ernten“ und in chemische Energie wie z. B. Wasserstoff umwandeln können. Die neuen photokatalytischen Systeme funktionieren in wässrigen Umgebungen und die dafür benötigten Materialien sind auf der Erde reichlich vorhanden. Innovative chemische Strategien könnten ihnen sogar chemische Robustheit unter rauen photokatalytischen Bedingungen verleihen. „Wir haben auch gezeigt, was bisher einer der heiligen Grale der Photokatalyse war – und immer noch ist. Wir können die aktivitätsbestimmenden Parameter auf atomarer Ebene präzise abstimmen. Zu guter Letzt haben wir heterogene photokatalytische Plattformen entwickelt, die alle an einem einzigen Standort mit Präzision auf molekularer Ebene arbeiten. Diese können nicht nur den Einsatz teurer und edler Metalle während der Photokatalyse reduzieren, sondern auch als Plattformen für ein besseres Verständnis des photokatalytischen Reaktionsmechanismus dienen.“ Letztendlich könnten Lotschs Bemühungen auch dazu beitragen, effiziente und hochgradig abstimmbare künstliche Photosyntheseplattformen mit organischen Polymeren zu realisieren. Während kommerzielle Anwendungen noch in weiter Ferne liegen, weist die Entwicklung von Solarbatterien im Rahmen des Projekts für eine Polymerklasse – die sogenannten Kohlenstoffnitride – in Verbindung mit Konzepten wie der zeitverzögerten „Dunkelphotokatalyse“ bereits vielversprechende Forschungswege auf. Unter weiteren möglichen Anwendungen befinden sich die Stickstofffixierung und die Valorisierung von Biomasse oder Mikrokunststoffen.
Schlüsselbegriffe
COFLeaf, Photosynthese, Solarbatterien, kovalente organische Gerüstverbindungen, COF, Sonnenlicht, chemischer Brennstoff