Mit realistischen Simulationen Geheimnisse der unser Sonnensystem durchstreifenden Asteroiden lüften
Asteroiden gehören zu den Bausteinen unseres Sonnensystems. Sie sind über allen Zweifel erhabene Zeugen der Entstehung und Entwicklung von Planeten. Als Überbleibsel des ursprünglichen, vor etwa 4,6 Milliarden Jahren abgelaufenen Entstehungsprozesses sind sie seitdem relativ unverändert geblieben. Um die chemischen und physikalischen Bedingungen der Planetenbildung zu verstehen, muss die Wissenschaft weitere Erkenntnisse über die Zusammensetzung, Evolution und Wechselwirkungen der Asteroiden gewinnen. Entsprechend der Analogie zu einem Mordschauplatz kann das Blut, das an einem Ort (Asteroiden) vergossen wurde, manchmal mehr über den Fall als die auf dem Boden liegende Leiche (Planeten) verraten. Trotz der aufregenden Erkundungsaktivitäten der letzten Zeit ist über die Asteroiden immer noch sehr wenig bekannt. Die meisten zur Verfügung stehenden Informationen stammen von bodengestützten Teleskopen, was jedoch nicht ausreicht, um wichtige Eigenschaften, etwa die innere Struktur, rekonstruieren zu können. Zudem wurden bislang nur wenige Kleinplaneten – verschiedene Asteroiden, Zwergplaneten und Kuipergürtel-Objekte – von Raumsonden besucht.
Mit N-Körper-Simulationen vorhandenes Wissen ergänzen
„Numerische Simulationen bergen ein großes Potenzial, um die Eigenschaften und die dynamische Evolution der Asteroiden zu relativ geringen Kosten zu simulieren. Auch die modernsten numerischen Verfahren sind jedoch nicht ausreichend genau“, betont Fabio Ferrari, Koordinator des Projekts GRAINS, das im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanziert wurde. GRAINS arbeitete daran, derartige Simulationen realistischer zu gestalten, sowie die verfügbaren Vermessungsdaten kostengünstig nutzen zu können. N-Körper-Simulationen gehören zu den geeignetsten Methoden der Erforschung von Rubble Pile-Asteroiden. „Man nimmt an, dass die meisten kleinen und mittelgroßen Asteroiden zu diesen geröllhaufenähnlichen Objekten zählen. Häufig wird der Begriff ‚Rubble Pile‘ verwendet, um darauf hinzuweisen, dass diese Himmelsobjekte aus locker verfestigtem Material bestehen, das nur durch die wechselseitige Gravitation und nicht durch die Festigkeit des Materials beieinandergehalten wird“, erklärt Ferrari. Aufgrund der minimal oder gar nicht vorhandenen Zugfestigkeit werden sie als schwache Aggregate bezeichnet, da ihre Bausteine (Geröllblöcke und Kieselsteine) durch Schwerkraft zusammengehalten werden. „Mit N-Körper-Simulationen können Aggregationsszenarien nach einer Asteroidenzerstörung reproduziert sowie die dynamische und kollisionale Evolution kleinerer, zusammenhängender Stücke (Fragmente) bis zur Bildung einer stabilen Anhäufung erforscht werden.“ Ein großes Manko der N-Körper-Simulationen besteht darin, dass sie nur mit punktförmigen oder kugelförmigen Teilchen umgehen und nicht die Starrkörperbewegung jedes einzelnen Bruchstücks modellieren können. Die dynamische Bewegung von körnigen Teilchen modellierende Mehrkörpersimulationen können die physikalischen Wechselwirkungen zwischen einer großen Anzahl komplex geformter starrer Körper beschreiben. Mit dieser Methode sind jedoch nicht die Gravitationswechselwirkungen in den Griff zu bekommen.
Das Beste aus beiden Welten kombinieren
GRAINS konnte große Fortschritte auf dem Weg zu einer realistischeren Darstellung der Gravitations- und Granulardynamik im Vergleich zu den Stand-der-Technik-Methoden erzielen. „Wir nutzten die Vorteile beider Codes in Form einer einzigen numerischen Implementierung, mit der das gekoppelte Gravitations- und Körnungsproblem richtig und genau gelöst werden kann. Erstmals kann unser neues numerisches Werkzeug auf effiziente und genaue Weise Kontakt-/Kollisions- und Gravitationswechselwirkungen zwischen einer großen Anzahl (hunderttausenden) von nicht sphärischen Bruchstücken behandeln“, erläutert Ferrari. Das Projektteam implementierte den neu entwickelten Code, um die Volumeneigenschaften bekannter Rubble Pile-Asteroiden (Bennu, Ryugu und Didymos) zu reproduzieren. Die Simulationsergebnisse waren durch eine sehr hohe Genauigkeit und räumliche Auflösung gekennzeichnet.
Warum Asteroiden so wichtig sind
Asteroiden können nicht nur grundsätzliche Fragen über die Entstehung unseres Sonnensystems beantworten. Die Wissenschaft hat außerdem erkannt, dass diese kleinen Welten Raumschiffen auf ihrem Weg zu weiter entfernten Zielen als Treibstoffquelle dienen können. Und tatsächlich stellen einige Asteroiden auch eine Gefahr für die Erde dar. Die Mission AIDA verfolgt das Ziel, Aufprallmodelle auszutesten und zu validieren, die zeigen, ob es einem Raumschiff gelingen kann, einen auf Kollisionskurs mit der Erde befindlichen Asteroiden abzulenken.
Schlüsselbegriffe
GRAINS, Asteroiden, Simulationen, Wechselwirkungen, Rubble Pile, N-Körper-Simulationen, granular, körnig