Sicherere Erdöl- und Gasbohrungen durch Automatisierung
Bei Bohrungen handelt es sich um eine Schlüsseltechnologie in zahlreichen Anwendungen von strategischer oder gesellschaftlicher Bedeutung. Dazu zählen sowohl die Exploration und Gewinnung von Erdöl, Gas sowie geothermischen und mineralischen Ressourcen als auch die geologische Speicherung von CO2. In der Praxis hängt der Erfolg davon ab, inwieweit die immer schwieriger erreichbaren Tiefwasserreservoirs genutzt werden können.
Zwei Hauptanliegen: Produktivität und Druckregulierung
Die Kosten für den Bau von Brunnen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Zugleich mangelt es allerdings an Technologien, die effizientere Bohrungen ermöglichen. Die Einführung automatischer Prozesse anstelle der Konzentration auf menschzentrierte Lösungen ist ein wichtiger Meilenstein für Tieflochbohrungen. Geringe Spielräume bei den Bohrungen im Hinblick auf sichere Druckbereiche bei tiefen Bohrlöchern stellen eine weitere unüberwindbare Herausforderung dar, welche die Tieflochbohrungen erschweren. Die Aufrechterhaltung einer begrenzten kleinen Differenz zwischen dem Porendruck (der Flüssigkeitsdruck, der von den Innenhohlräumen des Gesteins nach außen wirkt) und des Bruchgradienten (der Flüssigkeitsdruck außerhalb des Gesteins, der benötigt wird, um dieses zu brechen) ist für die Sicherheit solcher Eingriffe entscheidend. Zu hoher (Bohrloch-)Druck im Gestein führt dazu, dass das Bohrloch bricht; zu geringer Druck trägt zur Instabilität des Bohrlochs bei und erhöht die Gefahr des Einströmens von Gesteinsfluid in das Loch. Ein solcher Zustand wird als Bohrloch-Überwachungsstörung bezeichnet. Im schlimmsten Fall kann dies eskalieren, und zwar dann, wenn die Kraft der ausströmenden Flüssigkeiten bzw. Gase stark genug ist, um die Bohranlage zu beschädigen. Der Bohrlochausbruch der Ölpest im Golf von Mexiko im April 2010, der sich in einer Wassertiefe von 1 500 m ereignete, ist das bedeutendste Beispiel für diese Art von Katastrophe. „Die Beibehaltung eines schmalen Druckbereichs verhindert nicht nur schwere Bohrunfälle, sondern ermöglicht auch einen fortlaufenden Betrieb ohne Unterbrechungen und vermeidet dadurch einen Produktivitätsverlust“, merkt Nathan van de Wouw an, Koordinator des HYDRA-Projekts, das im Rahmen des Marie-Skłodowska-Curie-Programms finanziert wurde.
Schaffung virtueller Bohrszenarien
HYDRA entwickelte hydraulische Modelle, welche den Druck und die Strömung der Bohrflüssigkeit im Bohrloch genau vorhersagen können. Diese Modelle und andere numerische Instrumente wurden in eine neu entwickelte Software eingebettet, die Simulationen für andere Arten von Bohroperationen ermöglicht. „Die Ergebnisse im Rahmen von HYDRA unterstützen die Durchführung zuverlässigerer virtueller Tests von Bohrszenarien. Vor dem eigentlichen Bohrbetrieb können führende Öl- und Gasunternehmen beispielsweise viele verschiedene Szenarien durchspielen, um festzustellen, ob Funktionsfähigkeit und Sicherheit gewährleistet sind. Durch das Ausführen mehrerer Instanzen des Strömungsmodells unter Verwendung unterschiedlicher Bohrflüssigkeits-/Bohrloch-Charakteristika und Betriebsbedingungen können die Betreiber das Druckverhalten im Bohrloch vorhersagen, sodass Zwischenfälle seltener auftreten“, fügt van de Wouw hinzu. Der Markt mag mit Softwareinstrumenten, die Flüssigkeiten und Mehrphasenströmungen simulieren, übersät sein, doch die Modellierung der großen Bandbreite ihrer komplexen Eigenschaften nimmt viel Zeit in Anspruch. Zwar gibt es auch einfache Modelle, doch die Fließeigenschaften können diese noch nicht genau beschreiben. „Mit HYDRA finden wir ein Gleichgewicht, indem Modelle entwickelt werden, die wesentliche Strömungseffekte berücksichtigen, die aber einfach und schnell genug sind, um für virtuelle Bohrszenarien-Testungen verwendet werden zu können“, erläutert van de Wouw. Die Projektforschenden entwarfen auch Verfahren zur Reduktion der Modellordnung, um die Berechnungskomplexität ihrer mathematischen Modelle in numerischen Situationen weiter zu verringern. „Solche Verfahren ermöglichen nicht nur schnellere Simulationen, sondern auch die Gestaltung verbesserter Regler für die Automatisierung von gesteuerten Druckbohrungen“; schließt er.
Schlüsselbegriffe
HYDRA, Bohrungen, Simulationen, Erdöl, Gas, virtuelle Bohrungsszenarien, schmaler Druckbereich, Modellordnungsreduktion, gesteuerte Druckbohrungen