Siliziumtechnologie für Quantenprozessoren im großen Maßstab
Die Quanteninformatik mag eine völlig neue Welt an Möglichkeiten eröffnen, doch sie ist auch eine Herkulesaufgabe. Die Forschung und Technik mussten wieder zurück an das Reißbrett und die Bauweise von Prozessoren revolutionieren. In diesem Kontext ist jede bewährte Technologie, die genutzt werden kann, um die Forschung voranzubringen, ein regelrechter Segen. Das MOS-QUITO-Projekt fokussierte seine Aufmerksamkeit auf eine solche, um skalierbare Quantenprozessoren zu erstellen: die Siliziumtechnologie. Die Ambition des Teams ist, zu demonstrieren, dass Qubit-Elemente auf Siliziumbasis unter Verwendung einer industrietauglichen CMOS-Plattform vollständig hergestellt werden können. Außerdem wurde die Möglichkeit untersucht, herkömmliche CMOS-Elektronik zu entwickeln, die bei sehr niedrigen Temperaturen betrieben werden kann und als Steuer-Hardware für Quantenprozessoren dient. „Das Projekt baut auf jahrelanger Grundlagenforschung auf. Dies hat uns wichtige Erkenntnisse über die elektronischen Eigenschaften von Silizium-Metall-Oxid-Halbleiter-Transistoren bei niedriger Temperatur (unter Kelvin) und insbesondere von Transistorelementen auf Basis der Silizium-auf-Isolator-Technologie ermöglicht“, sagt Silvano De Franceschi, Koordinator des Projekts im Auftrag des französischen Forschungszentrums Commissariat à l’énergie atomique et aux énergies alternatives. Die Grundannahme des Projekts ist, dass die Verwendung der Siliziumtechnologie für die Quanteninformatik tatsächlich die großskaligen Integrationskapazitäten einer bereits etablierten Industrie voranbringen kann. De Franceschi meint hierzu: „Der Zweck von Quantencomputern ist das Lösen praktischer Probleme, die bestehende [Computer] unmöglich lösen können, und hierzu benötigen sie eine sehr große Anzahl physikalischer Qubits. Die Nutzung der Siliziumtechnologie scheint eine wichtige Option für das Erreichen dieser Vision zu sein.“ Im Laufe des Projekts gestalteten und testeten De Franceschi und sein Team eine Vielzahl von Silizium-Spin-Qubits – Qubits, die vom Spin-Freiheitsgrad einer lokalisierten elektronischen Ladung abhängen, um Quanteninformationen für sehr lange Zeit zu tragen. Ab diesem Punkt wurde eine 300-mm-CMOS-Fabrikationslinie in Grenoble genutzt. Es sollte demonstriert werden, dass in einer großskaligen Nanofabrikationsanlage unter Verwendung von CMOS-Prozessen, die der Industrienorm entsprechen, qualitativ hochwertige Silizium-Spin-Qubits hergestellt werden können. Laut De Franceschi war dies kein einfacher Prozess: „Die größten Schwierigkeiten zeigten sich auf der Ebene der Elementfabrikation. Es mussten verschiedene neue Fabrikationsprozesse entwickelt werden und unerwartete Fabrikationsherausforderungen resultierten in einiger Verzögerung. Uns machten ebenfalls Verzögerungen aufgrund von Ausrüstungsproblemen zu schaffen.“ Ein weiteres wichtiges Vorhaben von MOS-QUITO war die Entwicklung eines Instrumentariums aus CMOS-basierten Elementen wie zum Beispiel rauscharmen Verstärkern, Zirkulatoren und Multiplexern. Diese konnten letztlich bei niedriger Temperatur als periphere Elektronik für die verbesserte Qubit-Kontrolle und -Auslesung genutzt werden. „Durch die Benutzung der gleichen CMOS-Technologie könnten Qubits und zumindest Teile der Steuerelektronik sogar gemeinsam in denselben Chip integriert werden. Diese einzigartige Gelegenheit könnte vor allem für die Entwicklung von schnellen und skalierbaren Ausleseschaltungen hilfreich sein“, betont De Franceschi.
Fortlaufende Arbeit
Das Projekt ist mit insgesamt 55 Publikationen und sieben eingeführten Patenten außergewöhnlich ergiebig gewesen. Abgesehen von der Demonstration und Untersuchung der ersten Qubit-basierten CMOS-Technologie, wurden über das Projekt Konzeptnachweis-Demonstrationen für mehrere Kryo-CMOS-Schaltkreise mit einer Vielzahl an Funktionalitäten veröffentlicht. Diese Arbeit ist für die Entwicklung von Quantencomputern im großen Maßstab von essenzieller Bedeutung, da Quanteninformationen, die in Qubits gespeichert sind, rapide abbauen und unbrauchbar werden können, falls sie nicht auf Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts heruntergekühlt werden. Zu weiteren Leistungen zählt die Entwicklung und Optimierung von Spin-Auslesetechniken auf der Basis von: RF-Gate-Reflektometrie; einem besseren Verständnis und einer besseren Nutzung der elektrischen Dipol-Spin-Resonanz für Löcher und Elektronen; und ersten Ergebnissen zur Ladungssteuerung bei Silizium-CMOS-basierten vierfachen Quantenpunkten. Obgleich MOS-QUITO im September 2019 abgeschlossen wurde, geht die Arbeit in zwei Folgeprojekten weiter. Diese Projekte, ein EFR-Synergieprojekt namens QuCube und ein Flaggschiffprojekt im Bereich der Quantentechnologie namens QLSI, zielen beide darauf ab, Silizium-Qubits näher an die skalierbare Quanteninformatik zu bringen.
Schlüsselbegriffe
MOS-QUITO, Quantenprozessor, Qubit, Silizium, CMOS