Bakterieller Impfstoff als Hoffnung für Lungenpatienten
Mykoplasmen sind Bakterien, die keine Zellwand besitzen. Sie können von Pflanzen bis zu Säugetieren fast alle lebenden Organismen befallen. Jede Mykoplasmenart ist dabei speziell an ihren Wirt angepasst. „Eine der größten gesundheitlichen Hürden ist, dass diese Bakterien auf Wirkstoffe wie Antibiotika aus Penicillinen, die normalerweise an der Zellwand ansetzen, nicht reagieren“, erklärt Luis Serrano, Projektkoordinator von MycoSynVac und Leiter des Centre for Genomic Regulation in Spanien. „Darum lassen sie sich schwer ausschalten und können bei infizierten Tieren Läsionen verursachen, weshalb sie dann nicht mehr als Nahrungsmittel verwendet werden können.“ Für den Großteil der Mykoplasmainfektionen gibt es auf dem Markt keinen wirksamen Impfstoff. Das hat Folgen für Europas Wirtschaft und die öffentliche Gesundheit. Allein in Europa verursacht der Erreger Mycobacterium bovis der Rinderwirtschaft Kosten in Höhe von fast 144 Mio. EUR pro Jahr. Da es keinen Impfstoff gibt, greifen auch viele Geflügelverarbeitungsbetriebe auf Antibiotika zurück. Die dadurch entstehenden resistenten Erreger können dann für Mensch und Tier schwerwiegende Folgen haben.
Ein universeller Impfstoff
„Wir haben erkannt, dass neue und bessere Impfstoffe gegen Mykoplasmen gebraucht werden“, so Serrano. „In diesem Projekt wollten wir einen universellen Vektor entwickeln, der bei einer Vielzahl von tierischen Wirten als Einzel- oder Kombinationsimpfstoff eingesetzt werden kann.“ Universelle Vektoren sind so gebaut, dass sie das Immunsystem gegen mehrere Erregerstämme aktivieren. In diesem Fall hat das Team erfolgreich eine harmlose Version des Mycoplasma pneumoniae geschaffen, das normalerweise die menschliche Lunge befällt. Im Projekt wurde es als universeller Vektor zur Tierimpfung auserkoren. Der Grundgedanke war, die Oberflächenproteine anderer Mykoplasmenarten einfach in den Vektor „einzustöpseln“ und als Impfstoff zu nutzen. Der im Projekt entwickelte nicht-pathogene bakterielle Impfstoff wurde inzwischen an einem großen Spektrum von tierpathogenen Erregern getestet und hat positive Ergebnisse geliefert. Mit dieser Lösung lassen sich Infektionen im Viehbestand verringern, wodurch auch der Einsatz von Antibiotika und anderen medizinischen Substanzen in der Lebensmittelkette unnötig wird. Aktuell evaluiert das Team das Schutzniveau gegen Infektionen.
Gegen Lungenentzündungen beim Menschen
Inzwischen ergab sich eine unerwartete Wende. Seit Abschluss des Projekts im März 2020 haben Serrano und sein Team versucht, den manipulierten Vektor zur Behandlung von Beatmungspneumonie (VAP) beim Menschen einzusetzen. Diese Art der Lungenentzündung tritt bei Patientinnen und Patienten auf, die auf der Intensivstation mit Geräten künstlich beatmet werden. Die Ergebnisse aus MycoSynVac werden im weltweiten Kampf gegen das Coronavirus gerade besonders stark genutzt. „Im Moment untersuchen wir, ob es möglich ist, die im Projekt entwickelten Werkzeuge und Techniken so einzusetzen, dass das Virus gar nicht erst in die Lunge gelangt“, berichtet Serrano. „Wenn man zum Beispiel Mutationen im Protein des Coronavirus SARS-CoV-2 einbauen könnte, ließe sich das Virus vielleicht davon abhalten, sich an den Lungenzellen festzusetzen.“ Der bakterielle Vektor könnte dann eingesetzt werden, um bei Patientinnen und Patienten, die auf konventionelle Therapie nicht anschlagen, das Zielprotein zu exprimieren, um so das Virus abzublocken. Noch laufen diese Arbeiten. Im Centre for Genomic Regulation wurden jetzt mehrere Patientinnen und Patienten erfasst und vor Kurzem wurde ein Unternehmen ausgegründet, das sich speziell mit neuen Behandlungsmethoden für Lungenerkrankungen beim Menschen befassen soll.
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