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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Realisierbarkeit selbstorganisierender Kleinsatellitenformationen wird unter Beweis gestellt

In diesem Jahr wird die weltweit erste Demonstration einer sich selbst organisierenden, dreidimensionalen Formation von Picosatelliten in die Umlaufbahn gebracht.

Die für Kommunikation, Ortung und Erdbeobachtung eingesetzten Satelliten waren historisch gesehen groß, komplex und teuer. Aber das beginnt sich zu ändern. Wie Computer und Telefone werden auch Satelliten immer kleiner – einige wiegen nur noch ein Kilogramm. Da die Kosten für die Trägerrakete proportional zum Gewicht eines Satelliten anfallen, trägt die Miniaturisierung der Satelliten dazu bei, die Missionskosten zu senken. Infolgedessen könnten diese als Picosatelliten bekannten Satelliten bald in Formationen funktionieren und die größeren, teureren Satelliten von heute ergänzen. Im Jahr 2020 sollen Forschende des EU-finanzierten Projekts NetSat (Networked Pico-Satellite Distributed System Control) die weltweit erste selbstorganisierende dreidimensionale Formationskontrolle durch vier Picosatelliten in der Umlaufbahn demonstrieren. Um mehr über diesen Durchbruch zu erfahren – und was er für die Zukunft satellitengestützter Dienste bedeutet – haben wir uns mit Klaus Schilling zusammengesetzt. Schilling ist Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Telematik an der Universität Würzburg sowie Koordinator der ERC-Finanzhilfe, die am Zentrum für Telematik, einem unabhängigen Forschungsinstitut in Würzburg, zum Einsatz kommt.

Was ist das Hauptziel, das mit dem Projekt NetSat erreicht werden soll?

Schilling: In der Raumfahrzeugtechnik findet ein großer Paradigmenwechsel statt. Die einzelnen, großen, multifunktionalen Satelliten von heute werden durch Gruppen kleiner Satelliten ersetzt. Statt in naher Zukunft einen großen Satelliten in die Umlaufbahn zu schicken, werden wir eine größere Anzahl vernetzter, kooperierender Kleinsatelliten im Weltraum sehen. Das Potenzial verteilter Sensornetzwerke in der Umlaufbahn mit großen Basislinienabständen zwischen den Satelliten wird Mehrpunktmessungen ermöglichen und die Charakterisierung der Weltraumumgebung der Erde sowie die Erdbeobachtung und Telekommunikation verbessern. Dazu müssen wir zunächst verstehen, wie wir diese Kleinsatelliten dazu bringen können, im Team zu arbeiten, sowie sie in Formation fliegen als auch miteinander kommunizieren und koordinieren zu lassen. Darum geht es im NetSat-Projekt: Es soll ein Technologiedemonstrator geschaffen werden, der die Realisierbarkeit der Formation von Kleinsatelliten beweist, die als Plattform für wissenschaftliche Experimente und möglicherweise kommerzielle Anwendungen dienen könnten.

Was wird während der Demonstration in der Umlaufbahn erreicht?

Vor der Demonstration lag der Schwerpunkt des Projekts auf der Entwicklung der wichtigsten Steuerungstechnologien, die zur Realisierung eines dreidimensionalen Formationsfluges erforderlich sind. Die Demonstration in der Umlaufbahn wird dies zum ersten Mal bestätigen, indem alle vier Satelliten in einer selbstorganisierenden Formation gesteuert werden. Derzeit werden fast alle Multisatellitensysteme als Konstellation verwendet, in der jeder Satellit einzeln von einem Bodenkontrollzentrum aus ferngesteuert wird. Wir versuchen, die Satelliten dazu zu bringen, als Team zu arbeiten oder in Formation zu fliegen, wobei die relativen Lagen und Positionen über Satellitenverbindungen gemessen und ausgetauscht werden. Auf dieser Grundlage werden Regelungsaktionen koordiniert, um Kollisionen zu vermeiden und optimale Geometrien für die gegebenen Beobachtungsaufgaben zu ermöglichen.

Inwiefern ist diese Entwicklung bahnbrechend?

Die Möglichkeit, eine Gruppe von Picosatelliten zu steuern und als Team arbeiten zu lassen, öffnet die Tür zu einer Welle innovativer Anwendungen in der Erdbeobachtung und Telekommunikation. Durch gleichzeitige Beobachtungen von Zielgebieten aus verschiedenen Perspektiven können Erdbeobachtungssysteme beispielsweise innovative 3D-Bilder der Erdoberfläche und -atmosphäre erzeugen. Demnächst gibt es auch die www.telematik-zentrum.de/cloudct (CloudCT-Mission), bei der zehn kleine Satelliten in einer Formation fliegen können, die mithilfe von Computertomografieprinzipien das Innere von Wolken zur Verbesserung der Klimavorhersagen charakterisieren werden.

Wie hat das Projekt den Stand der Technik für Picosatelliten vorangebracht?

Um den sicheren Betrieb einer Gruppe von Satelliten in unmittelbarer Nähe zueinander zu gewährleisten, haben wir ein autonomes System zur Vermeidung von Kollisionen entwickelt. Mit dieser Funktion können wir beispielsweise sicherstellen, dass diese Satelliten nicht mit der stark zunehmenden Menge an im Weltraum herumirrendem Müll kollidieren. Viele Anwendungen müssen ihre hochpräzisen Instrumente oder Antennen auch auf einen Zielbereich richten und in der Lage sein, ihre Ausrichtung kontinuierlich auf ein beobachtetes Objekt anzupassen, um ihre hohe Bewegungsgeschwindigkeit auszugleichen. Zu diesem Zweck haben wir energieeffiziente Miniatur-Reaktionsräder entwickelt, die speziell für eine unübertroffene Drehgenauigkeit bei sehr kleinen Satelliten entwickelt wurden. Am wichtigsten ist, dass wir ein geeignetes System aus Kleinsatelliten umgesetzt haben, in dem jeder Satellit nur 4 kg wiegt und dennoch vollständig mit allen für Formationsoperationen erforderlichen Subsystemen ausgestattet werden kann. Dazu gehören ein Lagebestimmungs- und Steuerungssystem, Umlaufbahnbestimmungssystem, ein Kommunikationssystem, das zur Kommunikation zwischen den Satelliten und zur Kommunikation zwischen Satellit und Bodenstation fähig ist, sowie ein elektrischer Antrieb zur Bahnregelung und zur Aufrechterhaltung der Formation.

Was wird NetSat hinterlassen?

Die in NetSat entwickelte komplexe, interdisziplinäre Software und Hardware für den Betrieb von Kleinsatellitengruppen ist jetzt bereit zum Start, der derzeit für den Juni 2020 geplant ist. Dieses System wird zukünftig auf Sensornetzwerk basierte verteilte Anwendungen für neue Erdbeobachtungsansätze auf den Weg bringen. Zusammen mit den Kollisionsvermeidungssystemen wird dies das Vermächtnis von NetSat sein.

Gibt es Pläne für die Zukunft nach NetSat?

Nach einer erfolgreichen NetSat-Demonstration im Orbit besteht der nächste Schritt darin, die erreichten Formationsflugfähigkeiten in innovativen Anwendungsmissionen zu nutzen. Es wurden mehrere Projekte gestartet, die jeweils das NetSat-System zur Erdbeobachtung nutzen. Beispielsweise verwendet die Telematics Earth Observation Mission (TOM) eine Formation von drei kleinen Satelliten, um mit photogrammetrischen Methoden 3D-Bilder der Erdoberfläche zu erzeugen.

Länder

Deutschland