Identifizierung landwirtschaftlicher Risiken durch neue Abwasserschadstoffe
Mit dem aufgrund des Klimawandels und des weltweiten Bevölkerungswachstums steigenden Bedarf an Süßwasserressourcen ist die Wiederverwendung von Abwasser eine sinnvolle Alternative für die Bewässerung von Kulturpflanzen in von Wasserknappheit betroffenen Regionen geworden. Dennoch ist bekannt, dass dieses Abwasser die Rückstände von Arzneimitteln enthält, unter anderem der vielen Antibiotika, die zur Behandlung verschrieben werden. Obwohl diese bei der Bewässerung mit Abwasser als Mischungen vieler verschiedener Verbindungen auftreten, ist über ihre Auswirkungen auf die Boden- und Pflanzengesundheit nur wenig bekannt. Das von der EU unterstützte Projekt PhytoPharm untersuchte die Auswirkungen von Antibiotika-Mischungen und betrachtete dabei Gerste als Modell-Anbaupflanze. Das Forschungsteam zeigte, dass Pflanzen in ihren frühen Wachstumsstadien am anfälligsten sind und ein verstärktes Einwirken von Antibiotika dazu führt, dass weniger Samen keimen. Dieser Effekt tritt bei Konzentrationen auf, die für Abwasserabflüsse prognostiziert werden. Darüber hinaus legten Befunde nahe, dass die Auswirkungen der Antibiotikaexposition verstärkt werden könnten, wenn weitere Stressoren hinzukommen.
Prognose zu Schadstoffen
Um die Herausforderung der Bestimmung typischer Mischungen von Arzneimitteln in Abwasser anzugehen, hat das PhytoPharm-Team einen Algorithmus zur Prognose von Antibiotikakonzentrationen in Abwasserabflüssen entwickelt. „Unser Ansatz kann dabei helfen, die Zusammensetzung umweltrelevanter Antibiotika-Mischungen, die aus der menschlichen Nutzung von Antibiotika stammen, vorauszubestimmen“, erklärt Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiat Brett Sallach. „Dieses Modell kann an jeden Ort und jedes pharmazeutische Arzneimittel, für das Verschreibungsdaten existieren, angepasst und auf unterschiedlichen Ebenen angewandt werden.“ Der Nutzen des Modells konnte mithilfe von Daten zu Arzneimittelverschreibungen in der EU auch bei der Einschätzung potenzieller Bereiche mit besonders ausgeprägter Antibiotikaresistenz in Flüssen auf kontinentaler Ebene veranschaulicht werden. Für das Vereinigte Königreich und auf Ebene eines Einzugsgebiets für das Dorf Strensall in England gelang eine weitere Präzision. Dies kann genutzt werden, um Orte zu identifizieren, wo Antibiotikakonzentrationen zu einem erhöhten Risiko von Antibiotikaresistenz führen können, und um festzustellen, welche Verbindungen vermutlich verantwortlich sind.
Identifizierung von Risiken für landwirtschaftliche Systeme
Das Forschungsteam nutze den Algorithmus zur Durchführung einer Mesokosmosstudie mit Gerste, die mit einem synthetischen Abwasser bestehend aus Antibiotika in repräsentativen Konzentrationen bewässert wurde. „Wir untersuchten die Auswirkungen von Antibiotika auf eine Reihe chemischer und biologischer Endpunkte, unter anderem auf das Wachstum und die Produktivität von Pflanzen, den Netto-Ökosystem-Austausch von Treibhausgasen, die Struktur der mikrobiellen Gemeinschaft und die Verbreitung von Antibiotikaresistenz-Genen im Boden“, erläutert Sallach. Das Team fand heraus, dass bestimmte Verbindungen im Pflanzen-Boden-System mobiler sind als andere. Es konnte jedoch auch zeigen, dass durch eine normale, routinemäßige Bewässerung keine erhebliche zusätzliche Antibiotikaansammlung verursacht wird, woraus hervorgeht, dass die Verbindungen entweder biotisch (mikrobieller Abbau) oder abiotisch durch Hydrolyse und Photolyse abgebaut werden. Die Ergebnisse zeigten außerdem, dass die Antibiotikaexposition – trotz einer toxischen Wirkung in den frühen Stadien des Gerstenwachstums – keine messbaren Auswirkungen auf die ausgewachsene Pflanze hatte. Vor dem Hintergrund der erhöhten Resistenz vermutet das Team, dass der Einfluss stärker von der Länge der Expositionszeit als von zunehmenden Konzentrationen abhängig ist. Die Übertragung von Treibhausgasen vom Mesokosmos wurde ebenfalls gemessen, wobei leichte Auswirkungen auf den Netto-Ökosystem-Austausch von CO2 infolge der Antibiotikaexposition festgestellt wurden. Das Team verknüpft nun Veränderungen bei Gasströmen mit Veränderungen bei der Struktur der mikrobiellen Gemeinschaften, die sie erzeugen. Der PhytoPharm-Ansatz wird bereits bei einer Reihe von Nachfolge- und Nebenprojekten genutzt, zum Beispiel bei Untersuchungen zu den Auswirkungen anderer pharmazeutischer Wirkstoffe sowie von Verbindungen aus Ländern weltweit. Zusätzlich konnte Sallach vor Kurzem Finanzmittel sichern, um zu erforschen, wie Antibiotika abgebaut werden, wenn sie von Pflanzen aufgenommen werden, und welche Mechanismen Pflanzen nutzen, um diese Verbindungen zu entgiften.
Schlüsselbegriffe
PhytoPharm, Arzneimittel, Boden, Landwirtschaft, Pflanze, Abwasser, Gerste, Antibiotikum, Ökosystem, Treibhausgase, mikrobiell, CO2, Verbindungen