EU-Projekt legt transparente Galaxien offen
Lange Zeit drehte sich die Untersuchung der Galaxien des Universums um die Beobachtung von sichtbaren Dingen: Sterne, Planeten und andere Himmelskörper. Astrophysiker halten seit Langem an der Theorie fest, dass dunkle Materie existiert und 85 bis 90 % aller Materie im Universum ausmacht. Obwohl die Wissenschaftsgemeinde sie nicht direkt beobachten konnte, ist die Untersuchung der Teile des Universums, in denen sie am häufigsten vorkommen sollte – wie Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit – ein guter Ausgangspunkt. Abgesehen von ihrer Existenz wissen wir noch immer sehr wenig über die fast transparenten Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit. Wie bilden und entwickeln sie sich? Wie sind sie mit ihren Halos aus dunkler Materie verbunden? Wie fügen sie sich in das aktuelle kosmologische Modell der Galaxienbildung ein? „Die Erkennung und Modellierung dieser Galaxien ist aus Beobachtungs- und theoretischer Sicht äußerst anspruchsvoll“, erklärt Dr. Arianna Di Cintio, eine theoretische Physikerin, die das DIGESTIVO-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Beobachtungsteam um Dr. Ignacio Trujillo koordiniert. „Dank der Einführung neuer tiefgehender Untersuchungen können diese Objekte endlich in großer Zahl erforscht werden, was zuvor nicht möglich war. Zudem ermöglicht die enorme Zunahme der Fähigkeiten von Supercomputern die Durchführung extrem hochauflösender Simulationen. Diese können uns zusammen mit einer korrekten Modellierung der Rückkopplungsmechanismen für die Galaxienbildung bei der Nachbildung von Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit helfen.“ Die Arbeit im Rahmen von DIGESTIVO, die durch das Marie-Skłodowska-Curie-Programm gefördert wurde, ist fundamental. Das sogenannte Lambda-CDM-Modell (CDM steht für kalte dunkle Materie), das den Ursprung des Kosmos beschreibt, liefert zu wenige Informationen, um die Entstehung von Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit zu verstehen. Da immer mehr Galaxien beobachtet werden, stellt dies für Astrophysiker ein wachsendes Problem dar. „Um diese Grauzonen zu beseitigen, haben wir neue Beobachtungsstrategien genutzt. Mithilfe von erweiterten tiefgehenden Untersuchungen widmeten wir uns außerdem den Eigenschaften dieser Galaxien, während wir die vielversprechendsten, undeutlichsten Ziele anhand von extrem tiefer Bildgebung erforschten“, sagt Dr. Trujillo. Zu den wichtigsten Projektergebnissen gehört das Verständnis davon, wie Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit im kosmologischen Kontext entstehen. „Dazu führten wir einige Simulationen mit der höchsten kosmologischen Auflösung der Welt durch. Außerdem nahmen wir zum ersten Mal detaillierte Simulationen von Galaxien vor, welche die Hauptmerkmale dieser Objekte, wie ihre extreme Größe und Undeutlichkeit, nachbilden können. All das führte zu dem Ergebnis, dass sich Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit als Ergebnis koplanarer Fusionen kleinerer Galaxien und einer gezielten frühzeitigen Akkretion von Gas bilden, zusammen mit einem starken stellaren Rückstoß von Gas aus dem Zentrum. Dadurch wird die zentrale Verteilung von Sternen und dunkler Materie sehr oberflächlich, wobei die beobachtete Dynamik dieser Objekte reproduziert wird“, erklärt Dr. Di Cintio. Unterdessen untersuchen Dr. Trujillo und sein Team eine neue Art dieser Objekte mit geringer Oberflächenhelligkeit, bei denen dunkle Materie eigentlich nicht vorhanden sein sollte. Sie führten eine detaillierte Beobachtungsanalyse dieser Galaxien durch und erforschten gleichzeitig kosmologische Vorhersagen auf der Grundlage dieser Simulationen. „Wir haben festgestellt, dass diese Objekte innerhalb des aktuellen Szenarios betrachtet werden können, vorausgesetzt, die dunkle Materie ist gleichmäßig in ihrem Inneren verteilt und hat einen sogenannten Halo aus dunkler Materie mit erweitertem Kern.“ Insgesamt bietet DIGESTIVO wertvolle Einblicke in die Entstehung und Merkmale von Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit. Das Projekt vermittelt außerdem ein besseres Bild von der Massenverteilung in Galaxien. „Die erweiterten Kerne in Halos aus dunkler Materie, die wir in unseren simulierten Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit gefunden haben, sind für die Wissenschaftsgemeinde von großem Interesse. Anhand dieser lässt sich die steigende Zahl von Beobachtungen erklären, bei denen sich die Dynamik der Galaxien Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit nicht so leicht nachvollziehen lässt“, so Dr. Di Cintio abschließend.
Schlüsselbegriffe
DIGESTIVO, Galaxien mit geringer Oberflächenhelligkeit, dunkle Materie