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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Technologien der Zukunft enthüllen Entstehungsgeschichte von Kunstwerken

Jeder, dem Kunstschätze und deren Erhalt am Herzen liegen, weiß, dass der Teufel immer im Detail steckt. Die Restaurierung oder Konservierung von Gemälden, Keramiken oder Skulpturen hat sich quasi zur eigenen Kunstform entwickelt, doch sind hier neben fachlichen Kenntnissen au...

Jeder, dem Kunstschätze und deren Erhalt am Herzen liegen, weiß, dass der Teufel immer im Detail steckt. Die Restaurierung oder Konservierung von Gemälden, Keramiken oder Skulpturen hat sich quasi zur eigenen Kunstform entwickelt, doch sind hier neben fachlichen Kenntnissen auch Geduld und modernste Techniken gefragt. Das Projekt INSIDDE setzt den Schwerpunkt im technologischen Bereich, speziell auf Scanner der nächsten Generation, mit denen die Gegenstände kunstwissenschaftlich analysiert und ihr Zustand überwacht werden kann. Seit den ersten Höhlenmalereien unserer Vorfahren steht Kunst als Ausdruck für das Selbstbild des Menschen und seine Wahrnehmung der ihn umgebenden Welt. Jedes Kunstwerk ist ein einzigartiger Schatz für all jene, die bereit sind, zwischen den Zeilen zu lesen, denn es verrät viel über den Künstler, seinen Charakter und die Welt, in der er lebte. Wenn es aber um die kunstwissenschaftliche Analyse und materielle Bestimmung von Kunstwerken geht, dringen die Experten bisher kaum unter die Oberfläche. Der Zahn der Zeit macht allen Kunstwerken zu schaffen, und so sind Kuratoren und Restauratoren gefordert, modernste Technologien einzusetzen, um Schäden zu vermeiden. Nach Lösungsmitteln und damit verbundenen Schädigungen werden inzwischen zunehmend Laser und kalkbildende Bakterien eingesetzt, um alte Kunstwerke zu restaurieren. Das EU-finanzierte Forschungsprojekt INSIDDE (INtegration of technological Solutions for Imaging, Detection, and Digitisation of hidden Elements in artworks) tut nun einen weiteren Schritt in diese Richtung und entwickelt eine neue Technologie: Graphen-basierte Terahertzscanner sollen die versteckten Geheimnisse von Gemälden und antiken Tongefäßen lüften. Alle Details, die dem bloßen Auge verborgen bleiben, etwa Vorzeichnungen oder ältere Bildversionen unter der Farbschicht, Pigmente (oder der Inhalt versiegelter Gefäße), können nun enthüllt werden und weiteren Aufschluss über Herkunft oder Zeitperiode geben, aus der das Gemälde oder der Kunstgegenstand stammt. Dabei soll die Technologie nicht nur Experten vorbehalten bleiben, auch der Museumsbesucher wird sie bestaunen können, und zwar über Smartphone- oder Tablet-Apps in örtlichen Museen oder regionalen Sammlungen. INSIDDE startete im Januar 2013. Javier Gutiérrez Meana, Projektkoordinator und Programmmanager für Forschung und Entwicklung bei Treelogic in Spanien, erklärt, wie im Rahmen des Projekts schon verschiedene Versuche durchgeführt wurden, aus denen sich eine Vielzahl von Anwendungen ergeben werden. Welche Hauptziele verfolgt das Projekt? Wir entwickeln einen Scanner für eine nicht-invasive Technologie auf Basis von Terahertzstrahlung (THz), die im elektromagnetischen Spektrum zwischen Wärme- (Infrarot-) und Mikrowellenstrahlung liegt, mit der das Bild erstellt wird. Ein kommerzieller Scanner zur hochauflösenden Analyse der oberen Schichten des Kunstwerks ergänzt die Technologie. Die ermittelten Rohdaten werden dann mit verschiedensten Methoden aufbereitet, um unbekannte Eigenschaften abzuleiten und auszuwerten. Neben Kuratoren und Restauratoren wird die Technologie auch der breiteren Bevölkerung zugute kommen: einerseits werden die digitalen (2D- und 3D-)Modelle auf der Webseite des europäischen Netzwerks Europeana (http://europeana.eu/) präsentiert, was jedem Interessierten freien Zugang zu diesen Modellen über das Internet bietet. Andererseits soll eine neue Anwendung für Smartphones und Tablet-Computer, die derzeit entwickelt und eingeführt wird, Nutzern in den beteiligten Museen zur Verfügung stehen. Zeigt man damit auf ein Kunstwerk, werden mittels so genannter erweiterter Realität (computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung) verschiedene Farbschichten sichtbar wie auch Pinselführungen, Metadaten und andere interessante Darstellungen. Inwieweit ist die Projektarbeit für die kunstwissenschaftliche und kunstgeschichtliche Analyse neu oder innovativ? Obwohl verschiedenste Verfahren für solche Untersuchungen zur Verfügung stehen, u.a. auch nicht-invasive Methoden, können Röntgenanalysen oder Infrarotreflektographien durch Terahertz-Technologien ergänzt werden, weil deren Eindringtiefe geringer ist als beim Röntgen und höher als bei Infrarotuntersuchungen. So kann man sagen, dass der Projektschwerpunkt eher auf den Zwischenschichten zwischen Grundierung und Firnis von Gemälden liegt bzw. auf dem Material und Inhalt von Keramikgefäßen. Wir gehen davon aus - und die ersten Ergebnisse sind viel versprechend - dass wir auf Basis der unterschiedlich dicken Materialien jede Schicht einzeln analysieren können. Dies gibt Aufschluss über die ursprüngliche Skizze und wie sie vom Künstler verändert wurde, oder die Reihenfolge der aufgetragenen Farbschichten oder Pinselstriche. Auf diese Weise können auch so genannte Pentimenti (zuvor am Bild durchgeführte Korrekturen) und Übermalungen sichtbar gemacht oder vergrößert werden. Bei Materialstudien lassen sich die vom Künstler verwendeten Pigmente heutzutage meist nur noch ermitteln, wenn streng kontrollierte Proben genommen werden. Das Verhalten der Pigmente im Terahertz-Bereich liefert hierzu Informationen, und zwar, indem bekannte Muster mit den ermittelten Mustern verglichen werden. Auf ähnliche Weise kann der Inhalt versiegelter antiker Krüge untersucht werden. Was hat Sie dazu veranlasst, auf diesem Gebiet zu forschen? Zum Zeitpunkt der Projektausschreibung (IKT für den Zugang zu kulturellen Ressourcen) arbeiteten bereits drei Partner des Konsortiums (Treelogic, Universidad de Oviedo und ITMA Materials Technology) gemeinsam an der Entwicklung eines Graphen-Scanners im Terahertz-Bereich, allerdings in einem anderen Aufgabenbereich. Dann erzählte uns Dr. David Gomez während einer Nachbesprechung davon, dass sein Institut bereits Erfahrungen beim Erhalt von Kunstschätzen gesammelt und mit größeren spanischen Museen zusammengearbeitet hatte. Da dies eine großartige Möglichkeit war, die Technologie in anderen Szenarien zu testen, waren wir alle sofort dabei, und gleichzeitig wollten wir als Team die Aufgabe aus völlig neuer Perspektive angehen - jenseits der massiven Digitalisierung, die andere Projekte vorhaben. Dann entwarfen wir den Arbeitsplan. Natürlich zogen wir verschiedene Ansätze in Betracht, bis wir uns einigen konnten - und die anderen Partner - die Technische Universität Delft (Niederlande), 3D Dynamics (Belgien), Istituto Nazionale di Ottica (Italien), Regionalen Istoricheski Muzei Stara Zagora (Bulgarien) - beteiligten sich am Konsortium, motiviert von den sich bietenden innovativen Möglichkeiten. Schließlich kam im letzten Juni noch das Centro Regional de Bellas Artes de Asturias (Spanien) hinzu, als das Projekt schon angelaufen war. Wo lagen die größten Probleme, und wie wurden sie gelöst? Da die meisten führenden Museen bereits ihre eigenen Projekte in Zusammenarbeit mit anderen Zentren, Universitäten und Unternehmen gestartet hatten, entschied man bei INSIDDE, eine kosteneffektive Lösung für regionale oder lokale Museen anzubieten. Es ist nicht ganz einfach, hierfür Endnutzer zu finden, auch wenn es anfangs so scheint und wir mit vielen Interessenten aus mehreren Ländern Europas sprachen, die das Vorhaben spannend fanden. Trotzdem haben zumeist bürokratische und verwaltungstechnische Hürden die Beteiligung verhindert, insbesondere im Zusammenhang mit Genehmigungen öffentlicher Behörden. Aber dann halfen uns das Enterprise Europe Network - über seine regionalen Kontaktstellen Ficyt in Spanien und die Industrie- und Handelskammer in Stara Sagora. Das größte technische Problem bestand darin, Graphen - den neuen Wunderwerkstoff - mit den für unsere Zwecke spezifischen Eigenschaften herzustellen (und zu integrieren). Schwierig war auch der Entwurf der Fokusfunktion, da jeder Millimeter vom Sender zum Ziel und zurück zum Empfänger zählt und der Ausbreitungsverlust in der Luft bei diesen Frequenzen sehr hoch ist. Die Entwürfe wie auch die Herstellung des Graphens wurden viele Male verändert, bis wir eine effiziente Lösung gefunden hatten. Zudem optimierten wir die verfügbaren Ressourcen - Linsen, Lichtquellen, Kontakte und Raumaufteilung. Was Forschung ausmacht und bedeutet, verdeutlicht jeder Projekttag aufs Neue: keiner kann 100% sicher sein, dass die Idee funktioniert. Mitunter werden andere Lösungen, Partner oder Investitionsmöglichkeiten in Betracht gezogen, aber auch hier ist kein Erfolg garantiert. Wie sehen die nächsten Schritte des Projekts aus? Während im vergangenen Jahr alles auf die Konstruktion des Scanners ausgerichtet war, liegt der Schwerpunkt der Arbeit 2014 nun auf der Durchführung von Experimenten mit Proben aus Ton, Pigmenten und anderen Materialien oder Kopien berühmter Originalkunstwerke. Auf diese Weise können wir die Leistung von Sender, Empfänger und Fokussystem kalibrieren, einstellen und bewerten. Nach Dreivierteln der Projektlaufzeit können wir schon Ergebnisse präsentieren, auch wenn es bislang nur vorläufige Studien an weniger spektakulären Kunstwerken sind. Parallel dazu werden wir auch an Smartphone- und Tablet-Anwendungen arbeiten. Wir wollen Schnittstellen und Funktionalitäten entwerfen, und zwar mithilfe von Röntgenaufnahmen eines Gemäldes von Goya, das sich derzeit im spanischen Museo de Bellas Artes de Asturias befindet. Die Aufnahmen zeigen wir auf unserer Webseite. In der zweiten Phase werden wir diese Röntgenbilder durch die neuen THz-Bilder ersetzen. Die Anwendung kann dann von anderen Museen genutzt werden, um neue Besucher anzulocken. INSIDDE wird innovative Wege gehen, um die Ergebnisse seiner Forschungen publik zu machen. Auf welche Weise können EU-Bürger von der Technologie profitieren? Der unmittelbare Wert liegt im Erhalt von Kulturerbe. Ganz sicher wird INSIDDE Museumsbesuche interessanter machen, da wir die Verbindung zwischen Kunstwerk und technologischer Raffinesse schaffen und diese Kombination viele Menschen begeistert. Obwohl innerhalb des Projektrahmens zwei Ansätze im Vordergrund stehen - die Präsentation über Europeana und Anwendungen für die erweiterte Realität - könnte man sich durchaus auch andere Bereiche vorstellen wie Animationen oder interaktive Spiele. Einen wichtigen Beitrag für die europäische Bevölkerung leistet INSIDDE, indem selbst bei konkreter Ausrichtung der Scannertechnologie auf bestimmte Zwecke die Szenarien und Anwendungen offen sind: Sicherheitskontrollen (Körperscanner), zerstörungsfreie Tests (Nahrungsmittel) oder Medizin (Verbrennungen, Hautkrebs). Wir wollen alle Funktionen und Möglichkeiten nutzen, um Gesellschaft und Wirtschaft größtmöglichen Nutzen zu bieten. Wann kommt die Technologie von INSIDDE voraussichtlich auf den Markt? Wir gehen davon aus, dass der Prototyp für Studien an echten Kunstwerken 2015 fertig sein wird. Da INSIDDE jedoch vorrangig ein FuE-Projekt ist, muss die Technologie noch angepasst werden, bevor sie marktreif ist. Beispielsweise wird für die Versuche ein Universal-3D-Positioniersystem eingesetzt, das sich nicht ohne weiteres in andere Einrichtungen transportieren lässt. Darum werden wir nun auch alles daransetzen, potenzielle Endnutzer zu finden und zu analysieren, unter welchen Bedingungen ein Interesse an der Nutzung des THz-Scanners bestehen könnte. Wenn wir diese abgleichen, kann das Konsortium auch nach Abschluss des Projekts weiter zusammenarbeiten. Wir haben noch nicht entschieden, ob wir eher eine Dienstleistung anbieten, die Technik verkaufen oder beides erwägen sollten, daher sind wir für alle Vorschläge offen. Wir sind fest der Überzeugung, dass andere Projektergebnisse - nicht nur Geräte, sondern auch Techniken oder Prozesse - auf verschiedenste Weise nutzbar sind. Bislang haben wir schon 10 solcher Anwendungen vorgeschlagen - und wollen unsere Ideen nun auch auf andere Sektoren ausweiten. Wir werden nach Lösungen suchen, die bislang völlig neuartig sind, und erst dann Empfehlungen für eine mögliche weitere Nutzung geben.Weitere Informationen sind abrufbar unter: INSIDDE: http://www.insidde-fp7.eu Projektdatenblatt