Wissenschaftler lösen Rätsel um epigenetisches Gedächtnis
Eine neue britische Studie gibt Aufschluss über die Fähigkeit des Organismus, ein biologisches Gedächtnis über variabler Faktoren wie Temperatur oder Nahrung zu erstellen. Diese Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht und liefern Einblicke in den Mechanismus dieses Gedächtnisses, den Fachleute eine Art von "biologischem Schalter" nennen, und dass die Nachkommen diesen erben können. Die Studie wurde von Forschern des John-Innes-Centre (JIC) durchgeführt und teilweise durch das Projekt ENVGENE ("Dissection of environmentally mediated epigenetic silencing") über ein Advanced Investigator Stipendium des Europäischen Forschungsrats in Höhe von 2,45 Mio. EUR unter dem Siebten Rahmenprogram (RP7) der EU finanziert. "Uns sind nur wenige Beispiele bekannt, bei denen die Aktivität der Gene langfristig durch Umweltfaktoren beeinflusst wird", erklärt der Hauptautor Professor Martin Howard von der Abteilung für Bioinformatik und Systembiologie am JIC. "In manchen Fällen kann die Umwelt eines Einzelnen zwar die Biologie der Physiologie seiner Nachkommen verändern, niemals jedoch die Genomsequenz." Bisherige Studien hatten ergeben, dass Kinder und Enkelkinder in Familien, deren Großvatergeneration einem erheblichen Nahrungsmangel ausgesetzt war, mit einer größeren Wahrscheinlichkeit eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder Diabetes entwickelten; Das epigenetische Gedächtnis könnte dieses Phänomen erklären. Das fehlende Teil zu diesem Puzzle jedoch war die Erklärung, wie der Einzelne diese Erinnerung an einen variablen Zustand entwickeln konnte. Und genau hier kommt die JIC-Studie unter der Leitung von Professor Howard und Professorin Caroline Dean von der Abteilung für Zell- und Entwicklungsbiologie ins Spiel. Das JIC-Team setzte auf die Fähigkeit einer Pflanze, sich an die Länge eines kalten Winters zu "erinnern", um den Blühvorgang zu starten, damit Befruchtung, Entwicklung, Samenverbreitung und Keimung genau dann stattfinden, wenn sie stattfinden sollen. "Wir wussten bereits einiges über die in die Blüte involvierten Gene", erklärt Professor Howard "und es war offensichtlich, dass im Winter etwas passiert, das den Zeitpunkt für die Blüte beeinflusst, je nach Länge der Kälteperiode." Die Forscher verwendeten eine Kombination aus mathematischer Modellierung und experimenteller Analyse zur Enthüllung des Systems, bei dem ein wichtiges Gen, FLC genannt, in allen Zellen und bei den Nachkommen entweder komplett aus-, oder komplett eingeschaltet wird. Je länger die Kälteperiode andauert, bei desto mehr Zellen befindet sich nach Aussage des Teams das FLC in der Aus-Position, was zu einer Verzögerung des Blütevorgangs führt. Dieses Phänomen nennt sich epigenetisches Gedächtnis. Dieses epigenetische Gedächtnis hat unterschiedliche Erscheinungsformen, es gibt jedoch eine Hauptform, in die Histone involviert sind; Proteine, um die sich die Desoxyribonukleinsäure (DNS) winden kann. Histone können bestimmte chemische Veränderungen mit sich bringen, die wiederum die Expression der umliegenden Gene beeinflussen und diese an- oder ausschalten können. Tochterzellen können diese Modifikationen erben und so auch die Nachkommen der Zellen, die Gameten bilden (reife sexuell reproduktive Zellen). Mit Hilfe dieses Modells konnte vorausgesagt werden, dass in jeder Zelle das FLC-Gen entweder ganz an oder ganz aus sein sollte, wobei ein Teil der Zellen während längerer Kälteperioden auf "Aus" schaltet. Koautor Dr. Jie Song, Mitglied der Gruppe um Professor Dean, fand heraus, dass die Histonproteine in der Nähe der FLC-Gene während der Kälteperiode modifiziert werden und so für das Ausschalten der Gene verantwortlich sind. Professor Douglas Kell vom Forschungsrat für Biotechnologie und Biologiewissenschaften (BBSSRC), der die Studie ebenfalls teilweise finanzierte, über die Studienergebnisse: "Diese Arbeit liefert uns nicht nur neue Einblicke in ein Phänomen, das so wichtig ist für die Lebensmittelsicherheit der Zukunft, nämlich die Terminierung für die Blütezeit in Abhängigkeit vom Klima, sie enthüllt auch einen wichtigen Mechanismus, der in der gesamten Biologie vorkommt."Für weitere Informationen: John Innes Centre (JIC): http://www.jic.ac.uk/corporate/index.htm Nature: http://www.nature.com/
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