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Inhalt archiviert am 2023-03-09

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Verblüffende Quantenphysik: Mehr Wissen hat kühlende Wirkung

Haben Sie jemals über die hinter dem gewohnten Surren eines Laptops steckende Physik nachgedacht, wenn dieser auf Ihren Knien heißläuft? Oder über die erdrückende Wärme, die Ihnen aus einem Büro voller eingeschalteter Rechner oder einem Serverraum entgegenschlägt? Ein intern...

Haben Sie jemals über die hinter dem gewohnten Surren eines Laptops steckende Physik nachgedacht, wenn dieser auf Ihren Knien heißläuft? Oder über die erdrückende Wärme, die Ihnen aus einem Büro voller eingeschalteter Rechner oder einem Serverraum entgegenschlägt? Ein internationales Team theoretischer Physiker hat nun die eher außergewöhnliche Entdeckung zu vermelden, dass Computer - so, wie sie Wärme erzeugen - in umgekehrter Weise auch einen kühlenden Effekt haben können. Das Team aus dem Vereinigten Königreich, der Schweiz und Singapur veröffentlichte seine Forschungsarbeit im Fachjournal Nature und baute auf der als gesichert geltenden Tatsache auf, dass die durch "aktive" Computer verbrauchte Energie schließlich als Wärme endet. Die von Finanzmitteln des Europäischen Forschungsrats profitierende Studie zeigt, auf welche Weise die Löschung von Daten unter bestimmten Bedingungen eine kühlende Wirkung entfalten könnte. Diese Erkenntnisse könnten sich auf unsere Chancen zur Kühlung der sogenannten "Supercomputer" auswirken, deren Leistung häufig durch Überhitzung behindert wird. Supercomputer dienen der Erledigung von Aufgaben, die ein hohes Niveau an Rechenleistung erfordern - man denke nur an Meteorologie oder molekulare Modellierung. Die Wissenschaftler erklären, dass dieser Kühleffekt durch das Phänomen der Quantenverschränkung zustande kommt. "Die Realisierung der Kontrolle auf der Quantenebene, die erforderlich wäre, um dieses Prinzip in Supercomputern umzusetzen, stellt eine gewaltige technische Herausforderung dar - könnte aber im Bereich des Möglichen liegen. In den letzten 20 Jahren haben wir enorme Fortschritte in den Quantentechnologien zu verzeichnen", erklärt Vlatko Vedral, einer der Studienautoren. "Mit der heutzutage in den quantenphysikalischen Laboratorien zur Verfügung stehenden Technik sollte es möglich sein, ein Pionierexperiment an ein paar Datenbits durchzuführen." Es war der Physiker Rolf Landauer, der 1961 als Erster die Theorie aufstellte, dass beim irreversiblen Löschen von Information zwangsläufig Energie in Form von Wärme freigesetzt wird. Dieses Prinzip läuft darauf hinaus, dass der Computer, wenn eine bestimmte Anzahl von Rechenoperationen pro Sekunde überschritten wird, so viel Wärme erzeugt, dass diese unmöglich abzuführen ist. Obgleich für die Supercomputer von heute andere Wärmequellen größere Bedeutung haben, geht das Team davon aus, das diese kritische Grenze, an der Landauers Löschungswärme wichtig wird, vermutlich in den nächsten 10 bis 20 Jahren erreicht sein wird. Die Wärmeabgabe beim Löschen einer Festplatte von zehn Terabyte beträgt zwar im Prinzip weniger als ein Millionstel Joule - wird ein solcher Löschvorgang allerdings viele Male pro Sekunde wiederholt, summiert sich die Wärme dementsprechend auf. Diese neue Studie untersucht das Landauer-Prinzip für Fälle, in denen die Werte der zu löschenden Bits bekannt sein könnten. Ist der Speicherinhalt bekannt, sollte es möglich sein, die Bits auf eine solche Weise zu löschen, dass es in der Theorie denkbar ist, ihn wiederherzustellen. Vorherige Studien haben bewiesen, dass eine solche reversible Löschung keine Wärme erzeugen würde. Diese neue Studie zeigt eine völlig neue Sichtweise: Sind die zu löschenden Bits quantenmechanisch mit dem Status eines Beobachters verschränkt, dann könnte der Beobachter beim Löschen der Bits dem System sogar Wärme entziehen. Die Quantenverschränkung verknüpft den Zustand des Beobachters mit dem des Computers derart, dass "mehr als vollständiges" Wissen über den Speicherzustand vorhanden wäre - was in der klassischen Physik nicht denkbar ist. Das Team vereinte in der Studie Ideen aus der Informationstheorie und der Thermodynamik in einem Konzept, das als Entropie bekannt ist. In der Informationstheorie ist die Entropie ein Maß für die Informationsdichte, die beschreibt, wie viel Speicherplatz eine bestimmte Datenmenge bei optimaler Kompression einnehmen würde. In der Thermodynamik bezieht sich die Entropie jedoch auf die Unordnung in Systemen, zum Beispiel auf die Anordnung von Molekülen in einem Gas. Fügt man in der Thermodynamik einem System Entropie hinzu, so entspricht das im Allgemeinen dem Hinzufügen von Energie in Form von Wärme. "Wir haben nun gezeigt, dass in beiden Fällen der Entropie-Begriff eigentlich dasselbe beschreibt. Unsere Studie zeigt, dass die Entropie in beiden Fällen als ein Maß für Unwissen angesehen werden kann", sagte Renato Renne, einer der Forscher aus dem Team. In der Praxis bedeuten diese Ergebnisse, dass, wenn zwei Personen Daten in einem Speicher löschen und einer von beiden mehr über diesen Speicherinhalt weiß, der Speicher dann eine geringere Entropie hat und mit weniger Energie gelöscht werden kann. Diese Studie könnte sich sowohl als nützlich für unser Wissen über die Wärmeerzeugung von Computern erweisen, als auch positive Auswirkungen auf die Entwicklung von Innovationen in der Thermodynamik haben.Weitere Informationen unter: ETH Zürich: http://www.ethz.ch

Länder

Schweiz, Singapur, Vereinigtes Königreich

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