Männliche und weibliche Pflanzenorgane reden wie Gehirnzellen
Männliche und weibliche Pflanzenorgane kommunizieren auf dieselbe Weise wie Gehirnzellen, so eine neue Forschung von Wissenschaftlern aus Portugal. Eine im Fachjournal Science veröffentlichte Studie zeigt, wie Pollen, die die männlichen Gameten der Pflanze enthalten, mit den weiblichen Organen der Pflanze über einen Mechanismus kommunizieren, der häufig im Nervensystem von Tieren beobachtet wird. Nach Ansicht der Forscher enthüllt die Studie einen neuen, der Fortpflanzung von Pflanzen zugrundeliegenden Mechanismus und öffnet einen aufregend neuen Weg der Erforschung, wie die intrazelluläre Kommunikation zwischen Tieren und Pflanzen konserviert ist. Die Fortpflanzung von Pflanzen ist ein komplexer und äußerst koordinierter Vorgang. Pollenkörner, die die männlichen Gameten (Spermazellen) der Pflanze enthalten, werden vom männlichen Organ der Blume (dem Stamen) zum weiblichen Organ (den Stempel) getragen. Hier keimt der Pollen und entwickelt einen Pollenschlauch, der wächst und zum Fruchtknoten geleitet wird, wo er das Sperma freisetzt. Das Sperma vereint sich mit der Eizelle und daraus entsteht ein Embryo, Teil der Saat. In dieser Studie untersuchten Forscher vom Instituto Gulbenkian de Ciencia (IGC) die Entwicklung des Pollenschlauchs im Stempel. Nach Aussage der Forscher haben Biologen zwar Jahre lang regelmäßige Pendelbewegungen einiger Parameter beobachtet, die das Wachstum der Pollenschläuche steuern, die eigentlichen molekularen Kanäle, die diese Pendelbewegungen kontrollieren und ihre physiologischen Auswirkungen jedoch blieben ein Rätsel. Dr. José Feijó, Gruppenleiter bei IGC und Professor an der Universität Lissabon und seine Kollegen füllten diese Wissenslücke mit der Entdeckung, dass bei Tabak und bei Arabidopsis die Pendelbewegungen der Kalziumionen im wachsenden Pollenschlauch durch Glutamatrezeptor-Kanäle (Glutamate receptors-like, GLRs) ermöglicht werden. Darüber hinaus fanden sie heraus, dass diese Kanäle unter anderem durch eine seltene Aminosäure namens D-Serin (D-Ser) geöffnet werden. Sowohl D-Ser, als auch GLRs werden nicht nur in Pflanzen gefunden; sie sind auch Schlüsselmoleküle bei der intrazellulären Kommunikation im zentralen Nervensystem von Tieren. Sie spielen eine zentrale Rolle bei Gedächtnis- und Lernprozessen in Gehirn und werden mit einer Reihe von neurodegenerativen Erkrankungen wie multiple Sklerose, Alzheimer, Huntington und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht. "Und nun spielen sie überraschenderweise auch eine Rolle bei der Fortpflanzung von Pflanzen", so die Forscher. Das Team verwendete eine umfangreiche Kombination aus genetischen, pharmakologischen und elektrophysiologischen Techniken, um die Rolle der Glutamatrezeptoren (GLRs) und D-Serin in Pollenkörnern zu enthüllen. Indem sie bewiesen, dass es sich bei GLRs um Kalziumkanäle handelt, löste das Team ferner zwei lange gehegte Rätsel der Biologie der Pflanzen, nämlich die molekulare Natur von Kalziumkanälen in der äußeren Membran von Pflanzenzellen. Ferner entdeckten sie die Funktionen der GLRs-Gene in den Pflanzen, eine Tatsache, die Biologen beschäftigt hat, seit das erste Genom in der Modellpflanze Arabidopsis sequenziert worden war. Die Untersuchungen des Teams ergaben, dass die Schädigung der GLR-Funktionen in den männlichen Gameten zu einer partiellen Sterilität führt: die Pflanze produziert weniger Samen und die Pollenschläuche sind abnormal. Hinsichtlich des D-Serins entdeckten die Wissenschaftler, dass es die GLRs an der Spitze der Pollenschläuche aktiviert und es somit Kalziumionen ermöglicht, in den Schlauch zu fließen. Sie gingen mit ihren Forschungen noch einen Schritt weiter und zeigten, dass D-Serin tatsächlich in den weiblichen Sexualorganen produziert wird, und dass ein Fehlen von D-Serin in diesen Organen auch zu deformierten Pollenschläuchen führen kann. Gemeinsam genommen deuten diese Erkenntnisse stark darauf hin, dass das in den weiblichen Sexualorganen produzierte D-Serin eine Rolle bei der Führung der Pollenschläuche zu ihrem endgültigen Ziel spielt. Dazu sagt Dr Jos Feij¢: "Pollenschläuche sind ein Modelsystem für das Spitzenwachstum, ein Vorgang, der üblicherweise bei Spalthefen, Fadenpilzen und den Wurzelhaaren von Pflanzen und Nervenzellen beobachtet wird." Die Arbeit seiner Gruppe "belegt, dass die Wachstumsprozesse von Pflanzen und Tieren beide auf analogen Genen beruhen, und zeigt damit, dass die Evolution erfolgreiche Mechanismen häufig wiederverwendet." Laut Dr. Feijó öffnen die "an Arabidopsis und Tabak durchgeführten Forschungen die Tür zur Studie des konservierten intrazellulären Kommunikationsprozesses, über Pflanzen- und Tierarten hinweg."Weitere Informationen unter: Instituto Gulbenkian de Ciência (IGC): http://www.igc.gulbenkian.pt/ Science Express: http://www.sciencemag.org/content/early/recent
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