Neue politische Maßnahmen können zur Verlangsamung des Verlustes an biologischer Vielfalt beitragen
Die biolgische Vielfalt unseres Planeten ist bedroht. Neue Forschungsergebnisse weisen jedoch auf eine mögliche Verlangsamung des Artenschwunds hin, wenn neue politische Konzepte tatsächlich umgesetzt werden. Die neueste Untersuchung bündelt mehrere bedeutende internationale Studien über die Veränderungen und den Verlust von Arten in der Zukunft und wird unter der Schirmherrschaft des von der EU geförderten internationalen Programms DIVERSITAS zur Erforschung der Biodiversität, des World Conservation Monitoring Centre im Rahmen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP-WCMC) sowie des Sekretariats des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in der Zeitschrift "Science" veröffentlicht. Durch den Vergleich der Ergebnisse von fünf neueren internationalen Umweltstudien sowie einer umfangreichen Auswahl von Gutachten und nach einer Untersuchung des wahrscheinlichen Verlaufs der zukünftigen Entwicklung der Artenvielfalt kam das Team von 23 Wissenschaftlern aus 9 Ländern zu dem Schluss, dass wesentliche gesellschaftliche Veränderungen notwendig sind, um Stabilität und Nachhaltigkeit der Biodiversität zu gewährleisten. Fazit der Untersuchung: werden diese Veränderungen nicht eingeleitet und umgesetzt, kann die Gefahr des Aussterbens von Arten zunehmen, der Rückgang von Populationen einer Reihe von Arten in Gang gesetzt werden und sich die Verteilung der Arten) verändern. "Es besteht kein Zweifel daran, dass der Weg 'business as usual' zu einem katastrophalen Verlust an Biodiversität führen wird", betont Dr. Paul Leadley von der Universität Paris-Süd. "Selbst optimistische Szenarien sagen für dieses Jahrhundert übereinstimmend das Aussterben und den Populationsschwund zahlreicher Arten voraus." Das Ziel, den Verlust an Biodiversität aufzuhalten, klingt gut, ist aber unrealistisch, so Leadley. Er führt weiter aus, dass "signifikante Möglichkeiten, durch eine bessere Politik in diese Entwicklung einzugreifen - wie etwa im Kampf um die Abschwächung der Folgen des Klimawandels ohne die Umwandlung riesiger Waldgebiete in Plantagen für Biokraftstoffe" - können mit Schritten zum Schutz der Artenvielfalt einhergehen. Dies könne die Hoffnung begründen, dass eine Verlangsamung des Verlustes an Biodiversität nicht bloß ein Wunschtraum bleibt. Aber die Zeit drängt. Nach Ansicht eines wissenschafltichen Teams unter Leitung von Dr. Leadley und Dr. Henrique Miguel Pereira vom Zentrum für Umweltbiologie der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Lissabon müssen rasch Maßnahmen ergriffen werden, insbesondere weil jetzt durchgeführte politische Maßnahmen entweder zu einer Zunahme der globalen Waldflächen um 15 % - das entspräche dem besten aller denkbaren Fälle - oder schlimmstenfalls zu Verlusten von mehr als 10 % bis 2030 führen könnten. Die Fachleute sind der Auffassung, dass die Einrichtung eines Systems zur Überwachung der Biodiversität - ähnlich dem bestehenden zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC), der die wissenschaftlich, technisch und sozioökonomisch relevanten Informationen zur Sensibilisierung für das Risiko des vom Menschen verursachten Klimawandels bewertet - von "größter Bedeutung" ist. Die zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen (IPBES) könnte zur Gewährleistung gemeinsam vereinbarter Definitionen und Indikatoren für Artenvielfalt beitragen und als Entscheidungshilfe dienen. "Das Thema ist von einer solchen Dringlichkeit und das, was für die Menschheit auf dem Spiel steht, so entscheidend, dass die Wissenschaftler sich über IPBES zusammenschließen müssen, um die politischen Entscheidungsträger mit einer einheitlichen, verbindlichen Stimme zu informieren", unterstreicht Pereira. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte IPBES das geeignete Instrument für die wissenschaftliche Zusammenarbeit sein und dazu beiragen, die mit den Szenarien zur Biodiversität verbundenen Befürchtungen zu verringern. Aus unterschiedlichen Modellrechnungen ergeben sich im Hinblick auf das Aussterben von Arten pro Jahrhundert Prognosen von unter 1 % bis zu über 50 %. Wissenschaftlicher Konsens ist bei der Bestimmung der bis zum Aussterben einer Art verbleibenden Zeitspanne, die sich irgendwo zwischen Jahrzehnten und Jahrtausenden bewegen kann, von großer Bedeutung, so die Experten. "Beträchtliche Ungewissheiten bei den Modellen und erhebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines massiven Artensterbens im Verlaufe des vor uns liegenden Jahrhunderts wären das Ergebnis," verlautbaren die Experten. Den Veränderungen bei Artenverteilung und Populationsgröße müsse größere Aufmerksamkeit gewidmet werden, betonen die Wissenschaftler, da das Wohlergehen der Menschen davon abhängt. "Die künftige Gefahr des Artensterbens wird als hoch eingeschätzt, aber bei der Biodiversitätskrise geht es um weit mehr als um Artenverlust", erklärt Pereira. "Bei dem, was sich auf dem Gebiet der Biodiversität im 21. Jahrhundert ereignen wird, geht es nicht nur um das globale Artensterben, sondern vor allem auch um erhebliche Veränderungen in der Artenvielfalt und der Zusammensetzung von Artengemeinschaften." Die Studie wurde maßgeblich von Wissenschaftlern aus Frankreich, Kanada, Mexiko, den Niederlanden, Portugal, Schweden, Südafrika, dem Vereinigten Königreich und den USA unterstützt.
Länder
Kanada, Frankreich, Mexiko, Niederlande, Portugal, Schweden, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten, Südafrika