Wieder ein Schritt in Richtung Quantencomputer
Der Quantencomputer zum Anfassen rückt stückchenweise näher: Eine von Wissenschaftlern der Universität Bristol, Vereinigtes Königreich, angeführte internationale Forschergruppe hat einen neuen Ansatz für das Rechnen mit Quanten entwickelt, der schon bald für komplexe Berechnungen eingesetzt werden könnte, vor denen heutige Computer noch kapitulieren müssen. Die Forschung wurde teilweise innerhalb des QUANTIP-Projekts ("Quantum integrated photonics") finanziert, das aus dem Themenbereich "Informations- und Kommunikationstechnologien" (IKT) des Siebten Rahmenprogramms (RP7) etwas über 2 Mio. EUR erhielt. Für ihre im Fachblatt Science vorgestellte Studie entwickelten die Wissenschaftler einen Siliziumchip, der für komplexe Berechnungen und Simulationen unter Nutzung von Quantenteilchen verwendet werden konnte. Die Forscher gehen nun davon aus, dass sie damit einen neuen Weg zu einem Quantencomputer, einem überaus leistungsfähigem neuartigen Computer, bei dem anstelle der in heutigen Computern üblichen Bits Quantenbits (Qubits) zum Einsatz kommen, eingeschlagen haben. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bits oder Transistoren, die nur einen von zwei Zuständen (1 oder 0) zu einem beliebigen Zeitpunkt annehmen können, kann ein Qubit mehrere Zustände gleichzeitig besitzen. Somit können Qubits eine viel größere Menge an Informationen mit größeren Geschwindigkeiten speichern und verarbeiten. "Man nimmt allgemein an, dass ein Quantencomputer frühestens in 25 Jahren Realität werden kann", erläutert Professor Jeremy O'Brien, Direktor des Centre for Quantum Photonics an der Universität Bristol. "Wir glauben jedoch, dass ein mit unserer neuen Technologie ausgestatteter Quantencomputer schon in weniger als zehn Jahren Berechnungen durchführen kann, die außerhalb der Möglichkeiten herkömmlicher Computer liegen." Bei der neuartigen Technik verwendet man zwei identische Lichtteilchen (Photonen), die sich innerhalb eines Netzwerks aus Schaltkreisen in einem Siliziumchip bewegen, um ein als "Quantum Walk" (Quantengang) bekanntes Experiment durchzuführen. Quantengang-Experimente sind bereits mit einem Photon durchgeführt worden und können sogar anhand der klassischen Wellenphysik exakt modelliert werden. Hier ist jedoch erstmals ein Quantum Walk mit zwei Teilchen vollzogen worden - und das hat weitreichende Auswirkungen. "Mit einem Zwei-Photonen-System können wir Berechnungen durchführen, die exponentiell komplizierter als vorher sind", betont Professor O'Brien. "Das dürfte der frühe Beginn eines neuen Gebiets der Quanteninformatik sein und wird den Weg hin zu Quantencomputern ebnen, die uns das Begreifen komplexester wissenschaftlicher Probleme ermöglichen werden." Laut O'Brien "könnte die Technik unser Verständnis wichtiger Prozesse verbessern und zum Beispiel zur Entwicklung effizienterer Solarzellen beitragen." Zukünftige Chancen liegen außerdem im Einsatz bei der Schaffung ultraschneller und -effizienter Suchmaschinen, der Entwicklung von Hightech-Materialien und neuen Arzneimitteln. Die Wissenschaftler geben an, dass der Sprung von der Anwendung eines Photons hin zu zwei Photonen bei weitem nicht trivial war, "da die zwei Teilchen in jeglicher Hinsicht identisch sein müssen; und dann ist da noch die Art und Weise, wie diese Teilchen miteinander interferieren oder interagieren. Es gibt kein direktes Analogon dieser Interaktion außerhalb der Quantenphysik." Aber wie sie hinzufügten, sei diese Entwicklung keineswegs das Ende sondern eher der Beginn des Weges. "Nun können wir Quantum Walks mit zwei Photonen direkt realisieren und beobachten; der Übergang zu einem Drei-Photonen- oder Multi-Photonen-Chip sollte relativ einfach sein - aber die Ergebnisse werden ebenso spannend sein", wagt Professor O'Brien einen Ausblick. "Jedes Mal, wenn wir ein Photon hinzufügen, steigert sich die Komplexität eines somit lösbaren Problems exponentiell: Also wenn ein Ein-Photonen-Quantum Walk 10 Ergebnisse hat, kann ein Zwei-Photonen-System 100 Ergebnisse und ein Drei-Photonen-System 1000 Lösungen liefern und immer so weiter." Die Forschergruppe plant nun den Einsatz des Chips zur Ausführung quantenmechanischer Simulationen und die Steigerung der Komplexität der Experimente - nicht nur durch Hinzufügen von mehr Photonen sondern auch durch die Nutzung größerer Schaltkreise.
Länder
Vereinigtes Königreich