"Verborgene" Oberflächen sollen Schwarze Löcher enträtseln
An der kürzlich erweiterten Röntgen-Nadelstrahlanlage (X-ray Pencil Beam Facility, XPBF) im Synchrotronstrahlungslabor der deutschen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) wird die Qualität des Spiegels für das geplante International X-Ray Observatory (IXO) analysiert werden. IXO soll 2021 zu einer gründlichen Erforschung supermassiver Schwarzer Löcher ins All aufbrechen. IXO wird wohl das größte Röntgenteleskop aller Zeiten werden: Hier haben sich die Europäische Weltraumorganisation (European Space Agency, ESA), die US-Weltraumbehörde NASA (National Aeronautics and Space Administration, NASA) und die japanische Weltraumagentur JAXA (Japanese Aerospace Exploration Agency) zu einem gemeinsamen Projekt entschlossen. Schwerpunkt der geplanten IXO-Mission ist die Untersuchung supermassiver Schwarzer Löcher, von denen man annimmt, dass sie in der Frühzeit des Universums, möglicherweise sogar vor den ersten Sternen entstanden sind. Neue Informationen zu diesem Phänomen würden den Astronomen daher sicher wertvolle Einblicke in die Vergangenheit unseres Planeten verschaffen. Außerdem wird Weltraumteleskop IXO auch Neutronensterne und stellare Schwarze Löcher ins Visier nehmen, die entstehen, wenn ganz besonders massereiche Sterne explodieren. Die Kartografie der zu erforschenden Schwarzen Löcher wird das eROSITA-Experiment ("Extended Roentgen survey with an imaging telescope array") erledigen. Hier handelt es sich um eine deutsch-russische Kooperation unter Federführung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik. eROSITA - zu starten innerhalb der nächsten drei Jahre - wird mithilfe eines Bündels von sieben Röntgenteleskopen den gesamten Himmel absuchen. Die Wissenschaftler erwarten, dass dabei etwa drei Millionen neue Schwarze Löcher gefunden werden. IXO wird auf diesen entscheidenden Ergebnissen aufbauen, um durch Auffangen der Röntgenstrahlung aus den sehr weit entfernten Schwarzen Löchern eine systematische Untersuchung durchzuführen. Hierfür wird ein wahrlich gigantischer Spiegel erforderlich sein. In Anbetracht der besonderen Natur der Röntgenstrahlung wird dieser Spiegel aus einzelnen Komponenten bestehen, die die Strahlen seitlich in einem extrem flachen Winkel reflektieren und nicht direkt. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), Deutschlands nationales Metrologieinstitut mit wissenschaftlich-technischen Dienstleistungsaufgaben, wird die wichtigsten Eigenschaften dieser Komponenten prüfen. In ihrer Presseinformation vom 16. September 2010 erläutert die PTB die Besonderheiten der Spiegelgestaltung: "IXO bekommt einen einzigen Spiegel mit einer Sammelfläche von rund 3 Quadratmetern, einer Fokallänge von 20 Metern und einer Winkelauflösung von unter 5 Bogensekunden. Wegen des erforderlichen streifenden Strahlungseinfalls muss die gesamte Oberfläche des Spiegels etwa 1300 Quadratmeter groß sein." Dieser Spiegel wird aus kommerziell erhältlichen, hochpolierten Siliziumwafern aufgebaut sein, die auf der Unterseite mit Rippen versehen werden, um sie zu steifen Blöcken stapeln zu können. "Dadurch", so die PTB, "entstehen Poren mit einem Querschnitt von etwa einem Quadratmillimeter, in denen die Strahlung an der Oberfläche des jeweils unteren Wafers reflektiert wird." Das Institut, das die reflektierenden Oberflächen einzelner Poren analysieren wird, fügt hinzu, dass "die Qualität dieser 'verborgenen' Oberflächen in Bezug auf Tangentenfehler und Rauigkeit nicht wie üblich von oben untersucht werden kann, sondern in der vorgesehenen Anwendungsgeometrie mit Röntgenreflexion bei streifenden Strahlungseinfallswinkeln von etwa einem Grad bestimmt werden muss." Es wird ein monochromatischer Röntgen-Nadelstrahl mit einem Durchmesser von 50 Mikrometern und einer Divergenz von unter einer Bogensekunde zum Einsatz kommen. Die erforderliche Infrastruktur steht nun an der kürzlich erweiterten Röntgen-Nadelstrahlanlage (X-ray Pencil Beam Facility, XPBF) im Synchrotronstrahlungslabor des Instituts bei BESSY II in Berlin-Adlersdorf, Deutschland, zur Verfügung. "Er [der monochromatische Nadelstrahl] soll die Röntgenoptiken für IXO bei drei verschiedenen Photonenenergien, nämlich 1 keV (Kiloelektronenvolt), 2,8 keV und 7,6 keV charakterisieren", wie die PTB bekannt gab. "Die Optiken können mit einem Hexapod im Vakuum mit Reproduzierbarkeiten von 2 Mikrometern bzw. unter einer Bogensekunde verschoben bzw. gedreht werden. Der direkte und der reflektierte Strahl werden mit einem ortsauflösenden CCD-basierten Detektor (charge-coupled device) in einer Entfernung von 5 oder 20 Metern von der Optik registriert. Für den letztgenannten Abstand, welcher der geplanten Fokallänge von IXO entspricht, wurde eine vertikale Bewegung des CCD-Detektors um mehr als 2 Meter implementiert." Erste Testmessungen wurden schon im Mai 2010 durchgeführt; weitere Tests sind für November 2010 geplant.
Länder
Deutschland, Japan, Russland, Vereinigte Staaten