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Inhalt archiviert am 2023-03-07

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Der Freund meines Feindes ist wirklich mein Feind

Forscher in Österreich, dem Vereinigten Königreich und den USA haben mithilfe eines Onlinespiels mit sehr vielen Spielern (massive multiplayer online game - MMOG) eine wichtige Sozialtheorie beweisen können. Die Ergebnisse liefern den ersten quantitativen Beweis der strukturel...

Forscher in Österreich, dem Vereinigten Königreich und den USA haben mithilfe eines Onlinespiels mit sehr vielen Spielern (massive multiplayer online game - MMOG) eine wichtige Sozialtheorie beweisen können. Die Ergebnisse liefern den ersten quantitativen Beweis der strukturellen Balancetheorie, wonach in einer Gesellschaft einige Beziehungsnetzwerke stabiler sind als andere. Die strukturelle Balancetheorie konzentriert sich auf die positiven und negativen Beziehungen zwischen drei Personen und unterstützt die Annahme, dass Menschen eher glauben, dass "der Freund meines Feindes mein Feind ist", als einen Feind eines Freundes zu einem Freund zu machen. Die in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vorgestellte Arbeit ebnet Wissenschaftlern auch den Weg zur Entwicklung realistischerer Modelle komplexer menschlicher Netzwerke. Die meisten aktuellen Studien über soziale Netzwerke basieren auf der Analyse elektronischer Daten unter anderem von E-Mails, Handy-Kommunikation und Online-Shopping. Diese bieten gegenüber herkömmlichen Methoden wie etwa Fragebögen erhebliche Vorteile, da Forscher mit ihrer Hilfe soziale Dynamiken in einem größeren Maßstab als je zuvor studieren können. Allerdings scheinen solche Studien auf einfachen Parametern zu beruhen (z.B. Alter, Geschlecht, Anzahl von Kontakten), ohne dabei das breitere Spektrum der echten menschlichen Interaktionen zu berücksichtigen. In dieser jüngsten Studie nutzten die Forscher ein groß angelegtes Online-Spiel, in dem die Spieler die Möglichkeit haben, alternative Leben zu erfahren, Freunde und Feinde zu machen, Handel zu betreiben oder zu kämpfen. Der Vorteil dabei besteht darin, dass alle diese Interaktionen in Log-Dateien aufgezeichnet werden und damit analysiert werden können. Das untersuchte Spiel, Pardus, spielten rund 300.000 Menschen. "Mich fasziniert die Frage, wie wir alle miteinander interagieren, um komplexe soziale Netzwerke zu formen", kommentierte Dr. Renaud Lambiotte vom Institut für mathematische Wissenschaften am Imperial College London im Vereinigten Königreich. "Es ist verblüffend, wenn man sich vorstellt, dass man ein so kleiner Teil in einem so riesigen Netzwerk von Menschen ist. Unsere neue Studie zeigt detaillierter als je zuvor die wichtigsten Zutaten, die diese Netze stabil machen." Dr. Lambiotte und seine Kollegen von der Medizinischen Universität Wien in Österreich und dem Santa Fe Institute in den USA analysierten Daten zu sechs Interaktionsarten (drei "positive" und drei "negative" Beziehungen): Freundschaft, Kommunikation und Handel (positive) sowie Feindseligkeit, Aggression und Bestrafung (negativ). Jede dieser Interaktionen definiert ein Netzwerk für sich selbst, und zusammengenommen bilden sie ein großes Netzwerk. Die Forscher untersuchten sowohl die einzelnen Netzwerke als auch ihr Zusammenspiel. Wie man erwarten konnte, zeigten sie, dass positive Beziehungen stabile Netzwerke in der Gesellschaft bilden. In positiven Beziehungen haben die Spieler Handlungen und Gefühle eher erwidert als in negativen. Wenn Anna zum Beispiel erklärt, dass Beatrice ihre Freundin ist, wird Beatrice Anna wahrscheinlich auch als ihre Freundin bezeichnen. Aber wenn Anna erklärt, Beatrice sei ihre Feindin, wird Beatrice das weniger wahrscheinlich erwidern. Die Forscher fanden heraus, dass sich einige Netze weitgehend überschnitten, denn die Spieler wählten wahrscheinlich ähnliche Interaktionen, andere schlossen sich dagegen eher gegenseitig aus. Freundschafts- und Kommunikationsnetze überschnitten sich natürlich, da man unter Freunden chattet. Handel und Feindseligkeit überschnitten sich gar nicht, woraus sich schließen lässt, dass Feinde nicht dazu neigen, miteinander Handel zu treiben. Dr. Renaud Lambiotte erklärte: "Diese Erkenntnis mag offensichtlich erscheinen, da wir alle lieber mehr mit Menschen umgehen, die wir mögen. Allerdings hat niemand zuvor in einem so großen Maßstab einen Beweis für diese Theorie erbringen können. " Die durch das Programm COST ("European Cooperation in Science and Technology") geförderte Forschung liefert ein wertvolles mathematisches Werkzeug für das Studium großer, komplexer menschlicher Netzwerke. In einem nächsten Schritt wollen die Forscher Modelle für die Untersuchung biologischer Fragestellungen entwickeln, beispielsweise zu der Art und Weise, wie verschiedene Gehirnregionen miteinander kommunizieren.

Länder

Österreich, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten

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