Atomare Symmetrie folgt dem Goldenen Schnitt
Forscher in Deutschland und im Vereinigten Königreich haben erstmals verborgene Symmetrien auf Nanoebene in Festkörpern entdeckt. Die in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Ergebnisse zeigen eine Symmetrie, der der aus Kunst und Architektur berühmte und bekannte Goldene Schnitt zugrundeliegt. Die Forschungsarbeit wurde teilweise durch das NMI3-Projekt ("Integrated infrastructure initiative for neutron scattering and muon spectroscopy") unterstützt, das innerhalb des Themenbereichs "Koordination von Forschungsaktivitäten" des Sechsten Rahmenprogramms der EU (RP6) mit Mitteln in Höhe von 21 Millionen EUR finanziert wird. Was Wissenschaftlern nicht neu ist: Teilchen verhalten sich auf atomarer Ebene durchaus unerwartet und sogar irrational - in der Quantenwelt zeigen sie völlig neue Eigenschaften. Die Entstehung neuer Eigenschaften wird durch "Heisenbergs Unschärferelation" ausgelöst, die im Wesentlichen besagt, dass es unmöglich ist, gleichzeitig die genaue Position und die genaue Geschwindigkeit eines Objekts zu bestimmen. Der Effekt zeigt sich jedoch nur in einer subatomaren Größenordnung. In der aktuellen Studie untersuchten die Forscher das magnetische Material Kobalt-Niobat, das aus Atomen mit magnetischen Eigenschaften besteht, die Ketten (aus den im Elektron vorhandenen Spins, den Eigendrehimpulsen) mit einer Dicke von nur einer Atomlage bilden. Kobalt-Niobat ist daher besonders geeignet, um den Ferromagnetismus in Feststoffen im Nanobereich zu untersuchen. Wenn ein Magnetfeld im rechten Winkel zu einer ausgerichteten Spinkette einwirke, gehe die magnetische Kette in einen neuen, einen "quantenkritischen" Zustand über, berichtet das Team. Die Experten betrachten das quantenkritische Verhalten als eine Quantenversion eines fraktalen Musters. "Das System erreicht einen quantenkritischen Punkt oder einen Zustand à la Schrödingers Katze [der aus zwei diametral entgegengesetzten Bedingungen zur gleichen Zeit besteht]", erklärt Professor Alan Tennant vom deutschen Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB), Mitverfasser der Studie. "In unserem Experiment mit Kobalt-Niobat haben wir durch Anlegen des Magnetfeldes gewissermaßen am Regler gedreht und dabei das System immer näher an den quantenkritischen Zustand herangebracht." Die Forscher konnten nun bei der Veränderung des Systems und der künstlichen Erzeugung eines Zustands näher an einem quantenkritischen Punkt sehen, dass sich die Atomkette wie eine Gitarrensaite auf Nanoebene verhält. Sie verwendeten eine spezielle Messmethode, die "Neutronenstreuung", mit der sie die tatsächlichen atomaren Schwingungen eines Systems messen konnten. "Die Schwingung der Saite entspricht in diesem Bild der Wechselwirkung benachbarter Spinketten in Form von magnetischer Resonanz", erläutert der leitende Autor Dr. Radu Coldea von der Universität Oxford, Vereinigtes Königreich. "Für diese Wechselwirkungen fanden wir eine Folge (Tonleiter) von Resonanzen: Die ersten beiden zeigen ein perfektes Verhältnis zueinander. Ihre Frequenzen stehen im Verhältnis 1.618... was genau dem aus Kunst und Architektur bekannten Goldenen Schnitt entspricht." In der Mathematik und der Kunst befinden sich nach Angaben der Wissenschaftler zwei Größen im Verhältnis des Goldenen Schnittes, wenn sich die größere zur kleineren Größe verhält wie die Summe aus beiden zur größeren. Dr. Coldea ist überzeugt, dass dies kein Zufall ist. "Es spiegelt eine versteckte Symmetrie wider, die dem Quantensystem seine schönen, harmonischen Eigenschaften verleiht. Mathematikern bezeichnen diese Symmetrie als E8 - und wir konnten sie nun zum ersten Mal in einem festen Material beobachten." Den Forschern zufolge könnten für die Teilchenphysik entwickelte mathematische Theorien bei den Nanowissenschaften eine Nische finden und zukünftige Technologien durchaus beflügeln. "Solche Entdeckungen sind für die Physiker ein weiterer Beweis für die Existenz ganz eigener Strukturen in der Quantenwelt", erläutert Professor Tennant, Leiter des HZB-Teams, wobei er ergänzt, dass "uns auch bei anderen Materialien im quantenkritischen Zustand ähnliche Überraschungen erwarten könnten." Am NMI3-Projekt nahmen Wissenschaftler aus Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Polen, Russland, Schweden, der Tschechischen Republik, Ungarn und dem Vereinigten Königreich teil.
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