Studie enthüllt neue Funktion wichtiger Regulationsgene bei der Wirbelsäulenentwicklung
Laut einer neuen, von der EU finanzierten, und in der Fachzeitschrift Developmental Cell veröffentlichten Studie ist eine Reihe von Genen, die zahlreiche Aspekte der embryonalen Entwicklung steuern, auch an der Bestimmung der Wirbelanzahl innerhalb der Wirbelsäule beteiligt. Die EU-Unterstützung für diese Studie lief über das Projekt CELLS INTO ORGANS ("Cells into organs: functional genomics for development and disease of mesodermal organ systems"), das zu Beginn dieses Jahres abgeschlossen wurde und in welches 7,2 Mio. EUR aus dem Themenbereich "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) flossen. Hox-Gene finden sich in der gesamten Tierwelt; diese Regulationsgene spielen bei der Entwicklung eine wichtige Rolle, denn sie stellen beispielsweise sicher, dass unsere Gliedmaßen an den richtigen Stellen wachsen. Im Rahmen dieser Studie untersuchten Wissenschaftler aus Frankreich, den Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich die Funktion der Hox-Gene bei der Entwicklung der Wirbelsäule. Die Wirbel entwickeln sich aus Vorläuferzellen, den sogenannten Somiten, die im Embryonalstadium ausgebildet werden. Im Laufe der Entwicklung wächst die Wirbelsäule Wirbel für Wirbel, beginnend am Kopf bis hinunter zum Schwanz. Es ist bereits bekannt, dass die Hox-Gene dafür sorgen, dass die richtige Art von Wirbeln an den jeweils richtigen Stellen wächst - Halswirbel wachsen in der Nackenregion, während die Wirbel im Brustbereich mit den Rippen verbunden werden, gefolgt von den Lendenwirbeln im unteren Rückenbereich und so weiter bis hinab zum Schwanz. Jedoch ist auch die Anzahl der Wirbel von großer Bedeutung, die je nach Tier variiert. So haben beispielsweise Schlangen - was nicht sonderlich überrascht - die meisten Wirbel, während kleinere Tiere, wie zum Beispiel Mäuse, weniger Wirbel besitzen. Die Anzahl der ausgebildeten Wirbel steht mit dem Wachstum des Embryos an dessen Schwanzende in Verbindung. Je mehr dieses wächst, desto mehr Somiten werden gebildet und desto mehr Wirbel besitzt das jeweilige Tier. Eine weitere Familie von Regulationsgenen, die sogenannten Cdx-Gene, ist bekanntermaßen an der Festlegung der Wirbelanzahl beteiligt. Mit der Ausschaltung der Cdx-Gene werden auch einige Hox-Gene inaktiv. Bislang ging man jedoch davon aus, dass dieser Vorgang Teil des Hox-Mechanismus zur Steuerung der Wirbelidentität ist. In der Regel stoppt das Ausschalten der Cdx-Gene das Wachstum des Embryos an dessen Schwanzende. Diese neue Forschungsarbeit belegt jedoch, dass die Hox-Gene dieses Wachstum übernehmen und wiederherstellen können, sodass die korrekte Anzahl von Somiten (und somit Wirbeln) gebildet wird. "Wir zeigen nun, dass die Aktivierung von Hox-Genen ebenfalls Teil des Prozesses ist, über den die Cdx-Gene das Wachstum des Embryos an dessen Schwanzende anregen", erklärte Moises Mallo vom Instituto Gulbenkian de Ciência in Portugal. "Als die entsprechenden Hox-Gene in den Cdx-Mausmutanten (d. h. Mäusen ohne Cdx-Gene) aktiviert wurden, erholten sich die Embryos und kamen mit einer ganz normal ausgebildeten Wirbelsäule zur Welt. Was wiederum belegt, dass die Hox-Gene den Cdx-Mangel ausgleichen können. Somit konnten wir eine gänzlich neue Funktion der Hox-Gene aufdecken." Obschon die Hox-Gene im Laufe der frühen Entwicklungsphase das Wirbelwachstum fördern, spielen sie in den späteren Etappen der Embryonalentwicklung auch eine wesentliche Rolle beim Stoppen der Bildung von zu vielen Wirbeln. Wenn die Hox-Gene, die in der Regel am Ende der Wirbelsäulenentwicklung aktiv sind, zu früh aktiviert werden, kommt es zu einer Unterbrechung des Wachstums neuer Wirbelsäulensegmente und folglich zur Ausbildung einer kürzeren Wirbelsäule als normal. "Diese Abhandlung liefert eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Kenntnissen über die Funktion des Hox-Gens - einem der meiststudierten Gene in Verbindung mit der embryonalen Entwicklung: Nämlich dass dieses Gen nicht nur die Identität, sondern auch die Anzahl der Wirbel reguliert", fügte Dr. Mallo hinzu. "Obwohl diese Beobachtungen im Schwanzbereich des Embryos gemacht wurden, ist es überaus wahrscheinlich, dass eventuell auch ähnliche Mechanismen für die Festlegung der näher am Kopf befindlichen Segmente greifen."
Länder
Frankreich, Niederlande, Portugal, Vereinigtes Königreich