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Inhalt archiviert am 2023-03-06

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Sind Kipppunkte in menschlichen und natürlichen Systemen voraussehbar?

Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern, die Studien zu kritischen Schwellenwerten bei ganz verschiedenen komplexen Systemen wie etwa Menschen, Ökosystemen und Finanzmärkten betrachtete, kam zu dem Schluss, dass die Dynamik jedes einzelnen Systems nahe seinem "Kipppunk...

Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern, die Studien zu kritischen Schwellenwerten bei ganz verschiedenen komplexen Systemen wie etwa Menschen, Ökosystemen und Finanzmärkten betrachtete, kam zu dem Schluss, dass die Dynamik jedes einzelnen Systems nahe seinem "Kipppunktes" unabhängig von den Details gemeinsame allgemeine Eigenschaften hat. Die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Überprüfung der Frühwarnsignalmodellierung eröffnet neue Möglichkeiten für eine Vernetzung von Arbeiten zu Kipppunkt-Phänomenen in verschiedenen Disziplinen. Die Arbeit wurde teilweise über den Europäischen Preis für Nachwuchswissenschaftler finanziert, ein Programm, das innerhalb des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) gefördert wird und herausragende junge Wissenschaftler aller Forschungsbereiche aus allen Ländern der Erde veranlassen soll, an europäischen Forschungszentren eigene Forschungsgruppen aufzustellen. Diese Preise wurden auf wirksame Weise durch die Fördermittel für Nachwuchsforscher (Starting Grants) des Europäischen Forschungsrates (ERC) ersetzt. Die Vorhersage, wann ein System einer ausschlaggebenden Veränderung unterliegt, wann zum Beispiel ein Asthmaanfall oder ein Börsencrash ausgelöst werden, ist recht schwierig. Genaue Modelle zur Vorhersage von Schwellenwerten bei höchst komplexen Systemen stehen noch am Anfang, da die Wissenschaftler in den meisten Fällen nicht über das volle Verständnis aller relevanten Mechanismen und Rückkopplungen verfügen. Bei dieser neuesten Überprüfung beschäftigten sich Forscher in Deutschland, den Niederlanden, Spanien und den USA mit Frühwarnsignalen in sehr unterschiedlichen Systemen, um zu erkennen, ob sie möglicherweise ähnliche Eigenschaften aufweisen. Sie sahen tatsächlich Ähnlichkeiten zwischen epileptischen Anfällen und dem Ende der Eiszeiten; Wüstenbildung und Asthmaanfällen; klimatischen Übergängen und Ökosystemen. "Es wird zunehmend deutlich, dass viele komplexe Systeme kritische Schwellenwerte haben - sogenannte "Kipppunkte" - an denen diese Systeme abrupt von einem Zustand in einen anderen übergehen", so die Studie. Das Team beobachtete, dass einige Frühwarnsignale einen allgemeinen Charakter haben, was ahnen lässt, dass diese Übergänge auf irgendeine Weise mit "Verzweigungen" zusammenhängen, an denen dann die universellen Gesetze dynamischer Systeme die Muster regeln. Kurz und gut: Derartige Signale könnten wertvolle Informationen darüber liefern, ob die Wahrscheinlichkeit eines wichtigen Ereignisses im Anstieg begriffen ist. Frühe Warnungen vor plötzlichen Übergängen zeigen bei menschlichen Systemen zum Beispiel den in der Natur beobachteten ähnliche Muster. "Im Fall von Asthma hat sich gezeigt, dass die menschliche Lunge ein selbstorganisierendes Muster der Bronchokonstriktion [wenn sich die Atemwege verengen] darstellen kann, das die gefährliche respiratorische Insuffizienz ankündigen könnte und das der Musterbildung bei kollabierender Wüstenvegetation gleicht", erklärt man in der Studie. Frühwarnsignale in komplexen natürlichen Systemen zu erkennen, ist eine wahre Herausforderung. Allerdings ergeben die Ergebnisse jüngster Studien zu acht Episoden plötzlichen Klimawandels (z. B. zum "Treibhaus-Eiszeit"-Übergang vor etwa 34 Millionen Jahren) eine erhöhte Korrelation zwischen rekonstruierter Klimadynamik und kritischen Übergängen beim Klima. Die Einbeziehung der Finanzmärkte in diesen speziellen Mix gestaltet sich schwierig, da die Entdeckung einer Vorhersagbarkeit in diesem Bereich, wie die Autoren erklären, zu deren Eliminierung führt. Aus Berechenbarkeit kann man profitieren und so werden Muster schnell vernichtet. Es gibt jedoch Frühwarnsignale, die unter Einsatz von Werkzeugen wie dem "Angst-Index" (der die Volatilität misst) oder durch die Untersuchung von Mustern aufgenommen werden können, die zum Beispiel in Optionspreisen verkörpert sind. "Das sind überzeugende Einblicke in die Übergänge bei menschlichen und natürlichen Systemen", erklärt Henry Gholz, Programmdirektor der Abteilung für Umweltbiologie an der National Science Foundation (NSF) in den USA. "Die Informationen erreichen uns zu einem kritischen Zeitpunkt [...] zu dem die Fragilität der Erde und von uns Menschen durch globale Finanzkrisen, Debatten über Gesundheitsreformen und die Sorge um den raschen Wandel des Klimas und der Ökosysteme besonders zum Vorschein kommt." "Bei Systemen, bei denen wir immer wieder Übergänge beobachten können, wie etwa bei Seen, Gebirgsketten oder Feldern, und auch in der menschlichen Physiologie können wir herausfinden, wo die Schwellenwerte liegen", geben sich die Autoren zuversichtlich. Eine zentrale Frage für die praktische Anwendung, schlussfolgert die Studie, sei die Frage, ob ein Signal rechtzeitig erkannt werden kann, um Maßnahmen zur Verhinderung eines Übergangs oder zur Vorbereitung auf einen solchen zu ergreifen. Weitere Arbeiten seien erforderlich, um herauszufinden, wie robust diese Signale in verschiedenen mathematischen Modellen sind.

Länder

Deutschland, Spanien, Niederlande, Vereinigte Staaten

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