Glückshormon spielt eine Rolle für das Überleben von Mäusen
Das Fehlen des allgemein als Glückshormon bekannten Serotonins in den Gehirnen von Mäusen beeinträchtigt deren Wachstum, führt zu Schlafstörungen, verändert Atmung und Herzfrequenz, fördert Aggressivität gegenüber anderen Mäusen und führt zu Kannibalismus den eigenen Jungen gegenüber - so neueste Forschungsergebnisse EU-finanzierter Wissenschaftler in Deutschland. Die in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Studie bietet neue Einblicke in die Bedeutung des Serotoninsystems. Die neuen Erkenntnisse von Dr. Natalia Alenina und ihren Kollegen vom Max Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin sind ein Ergebnis des FUNGENES-Projekts ("Functional genomics in engineered ES cells"), das mit 8,5 Mio. EUR aus dem Themenbereich "Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit" des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) finanziert wurde. Die Projektpartner untersuchten embryonale Stammzellen von Mäusen, um unser Verständnis der zellulären Selbsterneuerung und der Prozesse zu erweitern, durch die gewebespezifische Zellen sich unterschiedlich entwickeln. Serotonin ist ein Signalmolekül, das aus Tryptophan synthetisiert wird. Die Aminosäure Tryptophan kommt beispielsweise in Putenfleisch und Milch vor und macht müde. Dieser Prozess wird durch ein Enzym mit der Bezeichnung Tryptophan-Hydroxylase (TPH) angestoßen, das bei allen Tieren in zwei Formen vorkommt: TPH1 und TPH2. Diese sogenannten Isoenzyme werden durch zwei verschiedene Gene kodiert. TPH1-Studien haben gezeigt, dass dieses Gen außerhalb des Zentralnervensystems (ZNS) zirkulierendes Serotonin produziert; dieses Serotonin ist an vielen Prozessen - von der Knochenbildung bis hin zur Regeneration der Leber und bei Hepatitis - beteiligt. Das andere Isoenzym - TPH2 - ist dafür bekannt, dass es für den Beginn der Produktion von Serotonin im ZNS, speziell in den Raphe-Kernen des Hirnstamms, verantwortlich ist. Frühere Studien zu TPH2 haben einen Zusammenhang mit Mutationen in dem Gen, das dieses Enzym verschlüsselt, und neurologischen Störungen und Hirnabnormitäten hergestellt. Für die aktuelle Studie züchteten die Forscher Mäuse, bei denen dieses Gen ausgeschaltet war, die mit Tph2-/- bezeichneten Tiere bildeten so gut wie kein Serotonin im Gehirn. Dr. Alenina und ihre Kollegen können nun mehrere Entdeckungen vorweisen. Es bestätigte sich, dass "TPH2 das für die Serotoninsynthese im Gehirn verantwortliche Hauptenzym ist", und dass das zirkulierende Serotonin unter normalen Bedingungen nicht in das Gehirn gelangen kann. Beobachtungen von Mäusen des Typs Tph2-/- über eine gewisse Zeit hinweg ergaben, dass die Tiere bis zum Erwachsenenalter überlebten, fruchtbar waren, die Weibchen genügend Milch produzierten und ihre Jungen nach der Geburt ernähren konnten. Überraschenderweise wurde auch festgestellt, dass andere Neurotransmitter wie etwa Dopamin im Vergleich zu Kontrolltieren bei diesen Mäusen unverändert waren. Aber der Mangel an ZNS-Serotonin verursachte bei den Mäusen des Typs Tph2-/- ein "beeinträchtigtes frühes postnatales Wachstum und eine veränderte autonome Regelung des Schlafs, der Atmung, der Körpertemperatur, der Herzfrequenz und des Blutdrucks." Bei Lebensbeginn waren sie kleiner und schwächer als Mäusebabys einer Kontrollgruppe, aber sie machten sich genauso gut bemerkbar, wenn sie von ihren Müttern getrennt wurden. Als erwachsene Tiere schliefen sie sehr viel mehr als die Kontrollmäuse und wurden aggressiv. Die Weibchen kämpften mit anderen Mäusen und fraßen die meisten ihrer Jungen. Bei Experimenten zum Pflegeverhalten fraßen die Mäuse des Typs Tph2-/- auch die als "normale" Mäuse geborenen Jungtiere. Die Mäuse ohne ZNS-Serotonin konnten durchaus einen versteckten Keks erschnuppern, aber sie waren nicht in der Lage, ihre verstreuten Jungen in weniger als 30 Minuten einzusammeln. Die Kontrollmäuse fanden ihren Nachwuchs im Gegensatz dazu in etwa vier Minuten. "Es hat sich gezeigt, dass bei Mäusen eine Vernachlässigung der Jungen durch das Muttertier mit Aggressivität einhergehen kann", bilanziert die Studie, "und wir beobachteten tatsächlich ein stärkeres aggressives Verhalten der weiblichen und männlichen Tph2-defizienten Mäuse im Vergleich zu Kontrolltieren. Auch gemeinsam mit Weibchen des Typs Tph2-/- untergebrachte Weibchen wurden oft in Kämpfen verletzt, was bei Kontrolltieren mit gleichem genetischen Background nie passierte. Diese Beobachtungen stehen im Einklang mit der Hypothese, dass eine verstärkte Aggression mit Zuständen geringer serotonerger Systemaktivität verbunden ist." Die Studie kommt zu dem Schluss, dass "das per TPH2 gewonnene Serotonin an der Regulierung des Verhaltens und der autonomen Nervenbahnen beteiligt, aber im Leben einer erwachsenen Maus nicht unbedingt erforderlich ist." Die Forscher weisen darauf hin, dass künftige Studien an kürzlich gezüchteten Mäusen, denen sowohl TPH1 als auch TPH2 fehlen, zur weiteren Klärung "der funktionalen Bedeutung des Serotoninsystems als Ganzes" beitragen werden.
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