Eisstrukturen enthüllen Geheimnisse des Universums
Im Weltall wurden sehr kalte Eisschichten auf interstellaren Staubpartikeln gefunden. Detaillierte Informationen über die Struktur der Schichten waren aber kaum verfügbar, so die Wissenschaftler. Nun geben modernste Technologien den Forschern die Chance, die im Weltraum vorgefundenen Eisschichten in ähnlicher Weise unter Bedingungen der Kälte zu erzeugen, und deren molekulare Struktur zu untersuchen. So werden sich Anhaltspunkte zum Verständnis verschiedener faszinierender Fragen wie zum Beispiel der Abiogenese, also zu den Ursprüngen des Lebens auf der Erde, ergeben. Ein von der Europäischen Wissenschaftsstiftung (EWS) veranstalteter Forschungsworkshop rückte die laufenden Pionierforschungen zu Eisstrukturen in den Brennpunkt. Für die meisten Menschen ist Eis gleichbedeutend mit den Eiswürfeln aus gefrorenem Wasser, die im Sommer in unseren Getränken landen. Aber hinter der Sache mit dem Eis steckt viel mehr als vermutet, wie in dem vor kurzem in Granada, Spanien, abgehaltenen Workshop offensichtlich wurde. Das Hauptziel des Workshops bestand darin, Ideen für ein zukünftiges europäisches Netzwerk rund um dieses Thema zu entwickeln. Die Veranstaltung fand unter dem Vorsitz von Dr. Julyan Cartwright, einem Spezialisten für Eisstrukturen am andalusischen Institut für Geowissenschaften (IACT) des spanischen Forschungsrats (CSIC) und der Universität Granada in Spanien, und C. Ignacio Sainz-Diaz, gleichfalls vom IACT, statt. Dr. Cartwright zufolge könnte die Untersuchung dieser Eisstrukturen sowohl zu revolutionären Durchbrüchen auf anderen Gebieten führen als auch vielfach industrielle Anwendung finden. Einige der verblüffenden Eigenschaften von Eis sind schon lange bekannt. Eis ist beispielsweise der einzige nichtmetallische Stoff, der sich beim Gefrieren ausdehnt. Der Workshop beschäftigte sich jedoch nicht nur mit vielen experimentellen und theoretischen Ansichten in Bezug auf Eis aus Wasser, sondern auch mit aus verschiedenen Gasen kondensierten anderen Arten von Eis und festen Körpern, die unter den extremen Bedingungen des Weltraums vorkommen. Er behandelte gleichfalls Themen wie die Polymorphie und Polyamorphie von Eis, die Kristallisationskernbildung, Morphologie, Reaktivität sowie die Spektroskopie. Der Hauptschwerpunkt des Workshops lag jedoch auf Eis im Weltall. Dieses Eis kommt sowohl auf kleinen Staubkörnchen als auch auf Asteroiden, Kometen, kalten Monden oder Planeten und hin und wieder auf bewohnbaren Planeten wie der Erde vor. Das berühmteste Eis im Weltraum sind die Ringe um den Saturn. Diese Ringe bestehen aus Eispartikeln sowie anderen Trümmern und Staub. In der Kälte des Weltalls wird Eis bei Temperaturen zwischen 3 und 90 Grad oberhalb des absoluten Nullpunkts gebildet, der bei minus 273,15 Grad Celsius liegt. Bei diesen geringen Temperaturen kann Eis Strukturen im Mesomaßstab (eine Ordnung größer als der Mikromaßstab) bilden, die sich von denen unter irdischen Bedingungen unterscheiden. In einigen Fällen sind diese Strukturen in der Form eher amorph, wie beispielsweise Glas, mit tatsächlich im Raum eingefrorenen Molekülen, als kristallartig. Viele Forscher haben festgestellt, dass Eis unter bestimmten Bedingungen biomimetische Formen annehmen kann. Die Strukturen erscheinen lebensecht wie Palmblätter oder Würmer oder in noch kleineren Größenordnungen wie Bakterien. Aus diesem Grund wies Dr. Cartwright darauf hin, dass Forscher nicht annehmen sollten, dass lebensähnliche Formen in Objekten aus dem Weltall wie zum Beispiel Marsgestein, ein Beweis dafür sind, dass dort tatsächlich Leben existiert hat. "Wenn jemand auf einem anderen Planeten landet und dort kleine wurmähnliche oder palmenartige Strukturen sieht, dann sollte nicht sofort eine Pressekonferenz einberufen werden, auf der die Entdeckung außerirdischen Lebens verkündet wird", so Dr. Cartwright. Diese Fähigkeit lebensechte Strukturen nachzuahmen, deutet jedoch darauf hin, dass die Natur die Physik kopiert haben könnte. "Es ist klar, dass in der Biologie die Physik angewendet wird. Wie sollte es auch anders sein? So sollten wir nicht überrascht sein zu sehen, dass manchmal in biologischen Strukturen ganz deutlich einfache physikalische Prinzipien zur Anwendung kommen. Denn, wenn man in der Zeit zurückgeht, scheint es vernünftig zu postulieren, dass beim Erscheinen des ersten Lebens etwas viel einfacheres als die heutige Zellmembran als Umhüllung diente, wahrscheinlich eher etwas wie eine einfache Blase von der Art, wie man sie bei Seifenblasen vorfindet", sagte Dr. Cartwright weiter. "Diese Art von Vesikel kann man heute in abiotischen Systemen vorfinden, sowohl unter heißen Bedingungen, in der mit den "Schwarzen Rauchern" auf dem Meeresgrund verbundenen Chemie, wo gegenwärtig der mögliche Ursprung des Lebens gesehen wird, als auch in der Chemie des Meereises." Diese Vorstellungen werden in Projekten weiter erforscht, die im ESF-Workshop entwickelt wurden.
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