Entwicklung eines thermostabilen nadelfreien Impfstoffs
Virosomen sind kleine Partikel und fungieren als üblicherweise flüssige Impfstoffabgabesysteme, wie es bei den meisten marktgängigen Impfstoffen der Fall ist. Allerdings verlieren sie ihre Wirksamkeit, wenn sie versehentlich eingefroren werden, und vertragen auch nur wenige Stunden lang Temperaturen von 15 bis 25 °C, da sonst die Antigene im Impfstoff abgebaut werden. Für einen Malariaimpfstoff auf Virosomenbasis wurden vor mehr als zehn Jahren gefriergetrocknete (lyophilisierte) Virosomen entwickelt, die in Glasphiolen tiefgefroren gelagert wurden, (um später injiziert zu werden). Sie vertragen zwar höhere Temperaturen, aber nur kurzzeitig. Für eine bessere Temperaturstabilität stellte das EU-finanzierte Projekt MACIVIVA aus einem flüssigen HIV-Impfstoffkandidaten ein Pulver her, das Minustemperaturen und länger anhaltenden hohen Temperaturen (bis zu 40 °C) standhalten kann. Das Wasser entfernten die Projektforscher mittels Hitzesprühtrocknung oder Gefriertrocknung aus dem Virosom, ohne dabei Struktur, Teilchengröße oder Antigenität der Impfstoffpeptide und -proteine zu verändern. Unabhängigkeit von der Kühlkette Bei der Lagerung von Impfstoffen muss eine zuverlässige Kühlkette eingehalten werden, damit beim Lagern und Transport bei 4-8 °C und unter -15 °C ihre Bioaktivität garantiert werden kann. Zudem vertragen sie keine größeren Temperaturschwankungen und können durch Transport, Handhabung und Lagerung unbrauchbar werden, sobald die Kühlkette unterbrochen wird. Dies führt dazu, dass jährlich Millionen von Impfstoffen entsorgt werden müssen. Die Lösung von MACIVIVA bestand im Entfernen von Wasser mit einem speziellen Herstellungsverfahren, was den pulverförmigen Impfstoff mehrere Monate lang selbst bei Minusgraden oder hohen Temperaturen (bis zu 40 °C) stabilisiert. „Die Entwicklung sicherer, bioaktiver, thermostabiler HIV- und Malaria-Impfstoffe ist besonders in warmen Ländern und Entwicklungsländern eine Notwendigkeit“, sagt Dr. Sylvain Fleury, wissenschaftlicher Leiter von Mymetics und Koordinator des Projekts. Da die Methode von MACIVIVA keinen Wiederherstellungsschritt erfordert, können die Impfstoffe direkt über ein Nasenspray oder als Tablette verabreicht werden. Eine weitere wichtige Neuerung war, dass sich Antigen und Adjuvans (zur Verstärkung der Immunantwort) auf demselben Partikel befinden und damit ein Impfstoff als Komplettlösung zur Verfügung steht. „Unser nadelfreier Impfstoff kann mit medizinischer Unterweisung selbst angewendet werden“, sagt Dr. Fleury. „Damit werden Risiken wie Nadelverletzungen und die in ärmeren Ländern übliche Mehrfachverwendung von Nadeln ausgeschlossen. Zudem müssen sich ängstliche Patienten nun nicht mehr vor dem Nadelstich fürchten.“ Bisherige Tests der pulverförmigen Impfstoffe an Tieren bestätigten, dass die MACIVIVA-Impfstoffe die gleiche Immunantwort hervorrufen wie die flüssige Form und spezifische Antikörper gegen die Antigene gebildet werden. Auf dem Weg zur klinischen Entwicklung Inzwischen können Unternehmen, die Produkte mittels Sprühtrocknung oder Lyophilisierung herstellen wollen, die Technologie beziehen. In Studien am Menschen hat sich die erste Generation eines flüssigen HIV-Impfstoff als sicher und gut verträglich erwiesen. Für den adjuvierten pulverförmigen HIV-Impfstoff, der als Kapsel oder Nasenspray verabreicht werden kann, muss jedoch noch eine toxikologische Studie erfolgen, bevor er für klinische Studien an Menschen zugelassen wird (Phase-I/II-Studie und im Anschluss daran eine Phase-III-Studie mit mindestens 10 000 Freiwilligen). Derzeit wirbt die Forschergruppe Fördermittel für den Beginn klinischer Studien zur Prävention einer HIV-1-Infektion, zuerst bei Erwachsenen und dann bei Kindern und Jugendlichen als vorrangiger Zielgruppe, an. „Damit können Menschen nicht nur vor Krankheiten geschützt werden: die Herstellungsverfahren und die Sachkenntnis zu den Impfstoffen von MACIVIVA können auch die europäische Wettbewerbsfähigkeit im Sektor stärken, weitere Investitionen fördern und Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen“, sagt Dr. Fleury.
Schlüsselbegriffe
MACIVIVA, Nadel, Impfstoff, HIV, Malaria, thermostabil, Krankheit, Toxikologie, klinische Studien, Nasenspray, Kapsel