Neues Gerät lässt Gehörlose mit Lichtimpulsen hören
Fast 70 Millionen Erwachsene in Europa leiden unter einem Hörverlust, der so hoch ist, dass er ihre Lebensqualität negativ beeinträchtigt. Und bis zum Jahr 2025 werden diese Zahlen voraussichtlich auf etwa 90 Millionen Betroffene ansteigen. Cochleaimplantate, chirurgisch eingesetzte Apparate, haben bereits unter Beweis gestellt, dass sie das tägliche Leben der hörgeschädigten Patienten verwandeln können. Herkömmliche Cochleaimplantate senden ein Signal an eine Anordnung von Elektroden in der Cochlea, die wiederum den Hörnerv elektrisch stimulieren, so dass er Signale an das Gehirn senden kann. Die elektrische Stimulation ist jedoch in vielerlei Hinsicht beschränkt. Grund dafür ist vor allem, dass die Form der Cochlea die Möglichkeiten einschränkt, das elektrische Feld genau in der gewünschten Region zu konzentrieren. Das Projekt ACTION (Active implant for optoacoustic natural sound enhancement) hat mit EU-Mitteln die Herausforderungen überwinden können, die mit räumlichen Einschränkungen im Zusammenhang mit Cochleaimplantaten auf Basis elektrischer Stimulation verbunden sind. Die Forscher entwickelten ein optoakustisches einkanaliges Gerät, welches das Außenohr freigibt und den Patienten ein höheres Maß an Freiheit verschafft. Hören mit Licht ACTION baut auf der Entdeckung auf, dass gepulstes Infrarotlaserlicht die Höraktivität in den Haarzellen auslöst. „Das Projekt beruht auf dem Einsatz von Laserlicht, um eine Schallwelle in der Flüssigkeit der Cochlea zu erzeugen“, erklärt Projektkoordinator Mark Fretz. ‚Im Gegensatz zu konventionellen Implantaten, bei denen elektrische Ströme verwendet werden, setzt optoakustische Stimulation auf funktionelle Haarzellen, um Schallwellen in ein elektrisches Signal umzuwandeln.“ Laserlicht wird verwendet, um eine Schallwelle zu erzeugen, die in der Cochlea-Flüssigkeit weitergeleitet wird und die winzigen Haarzellen bewegt. Als Reaktion darauf erzeugen diese ein elektrisches Signal entlang des Hörnervs zum Gehirn, wo es als Ton wahrgenommen wird. Die Vorrichtung, die als eine Lichtquelle für die optische Stimulation verwendet wird, ist ein Oberflächenemitter bzw. ein VCSEL-Halbleiterlaser (Vertical Cavity Surface Emitting Laser) mit optimiertem Gesamtwirkungsgrad im Infrarotbereich des Spektrums. Da hochintensives Licht mit größerer Wahrscheinlichkeit ein hörbares Geräusch in der Cochlea-Flüssigkeit erzeugen kann, entwickelten die Projektpartner eine neue ultradünne Linse aus Silizium, um das VCSEL-Licht auszurichten. Der VCSEL wurde hermetisch in einer biokompatiblen Saphir-Box versiegelt, um diesen vor Körperflüssigkeiten zu schützen und zu verhindern, dass giftige Stoffe den Körper beeinträchtigen. ACTION wählte Saphir aus, weil er biologisch stabil und verträglich ist und eine sehr geringe Permeation in Bezug auf Wasserdampf sowie die optische Durchlässigkeit aufweist, die für das Gerät erforderlich ist. Die Projektpartner arbeiteten auch an der Entwicklung eines biokompatiblen flexiblen Substrats, in das die Metallleitungen eingebettet werden, mit denen der VCSEL an die Stromversorgung angeschlossen wird. Speziell entwickelte anwuchsverhindernde Beschichtungen können das Wachstum von Körpergeweben auf dem Saphir-Paket verzögern. Verklebtes Körpergewebe absorbiert das VCSEL-Licht und reduziert somit die Wirkung des Geräts. Optimierung der Funktionalität Das neu entwickelte miniaturisierte Gerät hat die Größe eines durchschnittlichen Laptop-Adapters. Die nächste Generation der Vorrichtung wird zur Messung der optoakustisch erzeugten Summenaktionspotentiale (CAPS) fähig sein. „Zum ersten Mal kann eine Lichtquelle, die vollständig in die unmodifizierten Cochlea eingeführt wurde, die Erzeugung eines CAP auslösen“, erklärt Fretz. „Bisher konnten CAPs in der Cochlea nur mit externen Lichtquellen erzielt werden, die mit einem faseroptischen Lichtleiter oder mit optogenetisch modifizierten Zellen verbunden waren.“ Bis zur Umsetzung solcher Systeme müssen noch verschiedene Probleme gelöst werden. Dazu gehört die weitere Miniaturisierung des Saphir-Pakets, das in die Cochlea eingefügt wird. Darüber hinaus muss der Stromverbrauch des Geräts um einen Faktor von mindestens zwei reduziert werden, um vor dem Aufladen der Batterie eine akzeptable Betriebszeit zu erzielen. Für das neue Gerät von ACTION müssen Haarzellen in der Cochlea vorhanden sein. Patienten, denen in einem bestimmten Bereich funktionsfähige Haarzellen fehlen, könnten in Zukunft von der Anwendung eines herkömmlichen sowie eines lasergestützten Cochleaimplantats profitieren, die in einem einzigen Gerät integriert sind.
Schlüsselbegriffe
gehörlos, taub, Cochleaimplantate, ACTION, optoakustisch, Klangverbesserung, Laserlicht