Erforschung der Atmosphäre der Erde in grauer Vorzeit
Die EU-Forscher haben durch eine hochpräzise direkte Analyse von geochemischen Indikatoren ein Fenster zu einer Zeit vor mehr als drei Milliarden Jahren aufgestoßen, damit wir einen Blick auf die damalige Erdoberfläche werfen können. Zu diesem Zweck betrachtete das NOGAT-Projektteam als Teil eines Sechsjahresprojekts, das vor kurzem endete, Edelgase, jene Elemente, die chemisch inert sind und daher nicht durch geochemische Reaktionen verändert werden, und in der Hauptsache stabile Elemente wie beispielsweise Stickstoff. Dafür entwickelte das Team eine Multikollektor-Massenspektrometrieanalyse von Edelgasisotopen, mit der Messungen auf Promilleebene realisiert wurden, die hier erstmalig derart präzise gemessen wurden. Man ergänzte dies durch die Analyse von Proben von Kometen, vom Mond, vom Mars, von primitiven Meteoriten und aus dem Sonnenwind sowie alten Sedimenten und Gasen aus den Tiefen des Erdmantels. Asteroiden und Kometen Die Forscher demonstrierten zwei kosmochemische Ursprünge der Erdatmosphäre. „Wahrscheinlich wurde die Erde in einer trockenen Umgebung geformt und flüchtige Elemente wurden von Körpern des inneren Sonnensystems ähnlich den Asteroiden beigesteuert“, sagt Bernard Marty, Projektkoordinator und Professor für Geochemie am französischen Centre de Recherches Pétrographiques et Géochimiques des französischen Nationalen Zentrums für wissenschaftliche Forschung (CNRS) und an der Universität Lothringen. Kometen bildeten eine zweite Quelle, die, wenn auch nur geringfügig, für einige Materialien von Bedeutung war. „Wahrscheinlich war es für Wasser oder Stickstoff nicht signifikant, aber es könnte für die organische Substanz bedeutsam gewesen sein“, sagt Professor Marty, „ich will nicht sagen, dass das Leben auf einem Kometen zur Erde kam, aber ich bin der Meinung, dass prebiotisches Material von Kometen beigesteuert wurde.“ Die Nachverfolgung der Evolution des Edelgases Xenon über die Zeit gewährte besondere Einblicke. Bei der Arbeit mit Geologen sammelte das Team archäisches Gestein aus dem tiefen Mantel der Erde und analysierte das in winzigen, vor 3,5 Milliarden Jahren entstandenen Blasen in diesem Gestein eingeschlossene Gas. Sie stellten unter Beweis, dass Xenon in der archäischen Atmosphäre isotopisch zwischen dem in Meteoriten gefundenen und dem heutigen Xenon lag, was darauf hinweist, dass Xenon im Lauf der Zeit „durch Ionisation in der Atmosphäre durch violettes Licht von der vorzeitlichen Sonne“ im Weltraum verloren ging, wie Professor Marty erläutert. Stickstoff fand man andererseits unter zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zu den heutigen Werten ähnlichen Druckverhältnissen und Zusammensetzungen. „Das bedeutet, dass die Erde bereits vor einer Interaktion mit dem Weltraum in Hinsicht auf Stickstoff abgeschirmt war, aber Xenon immer noch durch Wechselwirkungen beeinflusst wurde“, sagt Professor Marty. Neue Informationen Die Entwicklung von atmosphärischen Gasen und die Aussage dieser Entwicklung über die Evolution der Erde selbst ist schon oft mit indirekten Verfahren untersucht worden, aber Professor Marty ist voller Zuversicht, dass eine Interpretation der vom NOGAT-Team realisierten direkten Analysen mehr Aufschluss über ein uraltes Problem geben wird. „Wir sind zu Beschränkungen im Zusammenhang mit der Wechselwirkung zwischen Sonne und Erdatmosphäre und dem sogenannten Paradoxon der schwachen jungen Sonne (Faint Sun Paradox) und dem Problem der Treibhausgase in der Vergangenheit gelangt“, gibt er zu bedenken. Das Projekt hat zur Veröffentlichung von dreiunddreißig wissenschaftlichen Arbeiten geführt, darunter sechs in „Science“, drei in „Nature“ und drei in „Science Advances“. Die Arbeit wurde seit 2011 mehr als 650-mal zitiert. Unlängst nahmen verschiedene, an Weltraummissionen arbeitende Teams Kontakt zu Professor Marty auf und baten um seinen Beitrag, was ein Anzeichen dafür ist, dass dieses Forschungsgebiet nicht nur für die Geochemiker, sondern auch für die Astrophysiker ein heißes Thema ist.
Schlüsselbegriffe
NOGAT, Atmosphäre im Archaikum, archäische Atmosphäre, Geochemie, geochemische Tracer, geochemische Verfolgungssubstanzen, Edelgase, vorzeitliche Erde, Evolution der Erde, Xenon, Stickstoff