Dunkle Energie oder modifizierte Schwerkraft – welche wird gewinnen?
Auch wenn die Allgemeine Relativitätstheorie sich bisher als sehr genau erwiesen hat, ist sie nicht die einzige Theorie, die Schwerkraft nachweisen konnte. Genau genommen gibt es zahlreiche alternative Theorien. Wissenschaftler sind sich nur noch nicht sicher, wie sie Beobachtungen und Simulationen standhalten können. Um diese Lücke zu schließen, werden im Rahmen des GalaxyDance-Projekts, das mit Unterstützung des Marie-Skłodowska-Curie-Programms durchgeführt wird, Informationen genutzt, die in charakteristischen Geschwindigkeitsstatistiken von Galaxien im Lokaluniversum verschlüsselt sind, und der Rotverschiebungsraum (RSD) ferner Galaxien beobachtet. Dr. Wojciech Hellwing, Projektkoordinator und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Theoretische Physik der Polnischen Akademie der Wissenschaften, spricht über die bisherigen Projektergebnisse. Warum lässt sich die Ausdehnung des Universums so schlecht nachvollziehen? Obwohl wir die Beobachtungen des Universums immer weiter ausdehnen, wundern wir uns noch immer über einige seiner Eigenschaften. Dazu gehört zum Beispiel die beschleunigte Ausdehnung der Raumzeit, die aktuell auf Dunkle Energie zurückgeführt wird. In Wirklichkeit dürfen wir uns jedoch nur auf Dunkle Energie berufen, wenn Einsteins Gravitationstheorie für den gesamten Kosmos gilt. Für diese beschleunigte Ausdehnung gibt es andere mögliche Erklärungen, die keine Dunkle Energie erfordern. Diese Theorien gehen über die Allgemeine Relativitätstheorie hinaus und werden üblicherweise als „modifizierte Schwerkraft“ bezeichnet. Die Untersuchung der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Alternativen im intergalaktischen Umfang ist ein dringliches und wichtiges Thema für die moderne extragalaktische Astronomie. Und genau das war das Ziel von GalaxyDance. Können Sie uns mehr über Ihren Ansatz verraten? GalaxyDance führt einen neuen Ansatz ein, bei dem Statistiken niedriger Ordnung in Bezug auf die Galaxiengeschwindigkeit sowie Galaxienhaufen zum Einsatz kommen, um Einsteins Gravitationstheorie und ihre Gegenstücke zu prüfen. Diese Tests erfolgen im intergalaktischen Umfang, also in einem System, bei dem die Gravitationstheorie bisher noch nicht gründlich untersucht wurde. Ich habe gezeigt, dass dieser Ansatz zahlreiche einzigartige Vorteile hat: er benötigt kein Gravitationsmodell, es gibt keine bedeutenden Galaxieverzerrungen und er wird größtenteils nicht von der baryonischen Physik beeinflusst. Ich habe modernste Computersimulationen genutzt, die ein virtuelles Universum in einem Supercomputer rekonstruieren. Durch die Durchführung und Analyse dieser Simulationen können wir Tests über Gravitationstheorien hinaus vornehmen und vielversprechende Ergebnisse präsentieren. Was macht diesen Ansatz so innovativ? Die Nutzung von großen Supercomputer-Simulationen war bei vorherigen gravitationsunabhängigen Modellen aufgrund ihrer Komplexität und der hohen Kosten nicht möglich. Um dieses Problem abzumildern, haben wir uns für einen Beschleunigungsalgorithmus entschieden, der – trotz einer gewissen Ungenauigkeit – die Entstehung des Universums viel effizienter abbilden kann. Ich konnte erfolgreich demonstrieren, dass ein solcher approximierter Ansatz bei kosmischen Geschwindigkeiten für belastbare Ergebnisse ausreicht. Was sind die wichtigsten Ergebnisse des Projekts? Zweifellos der neue Satz an umfangreichen, hochmodernen Simulationen alternativer Theorien, die noch nie dagewesene Studien kosmischer Geschwindigkeitsfelder ermöglichen werden. Wir konnten bereits zeigen, dass Statistiken niedriger Ordnung in Bezug auf die Galaxiengeschwindigkeit ein deutliches Signal für modifizierte Schwerkraft enthalten sollten. Wir haben jedoch auch gezeigt, dass zur Messung und Extraktion der Signale eine gezielte und gründliche Modellierung des Einflusses unserer nahen kosmischen Strukturen, wie des Virgo-Galaxienhaufens, von zentraler Bedeutung für den Erfolg unserer Methode sein wird. Was wollen Sie bis Projektende außerdem noch in Angriff nehmen? Wir werden weitere Modelle von den Prozessen einführen, die die Farbe, Helligkeit und Form von Galaxien bestimmen. Dadurch können Kataloge von künstlichen Galaxien erstellt werden, in denen gezeigt wird, was in einem Universum entstanden wäre, das von anderen Theorien als der Gravitationstheorie von Einstein beherrscht wird. Anschließend werden wir unsere Ergebnisse mit den vorhandenen und künftigen astronomischen Beobachtungen vergleichen, um neue strenge Gravitationstests im größten Maßstab bereitzustellen. Wie war das bisherige Feedback der Wissenschaftsgemeinde? Viele Kollegen waren von unseren Ergebnissen begeistert und haben Interesse an ihnen gezeigt, als wir sie auf internationalen Konferenzen zur Kosmologie vorstellten. Außerdem sind wir eine neue Kooperation mit Kollegen eingegangen, die über Fachwissen bei der Beobachtung von Galaxien (aus Lyon in Frankreich) und bei der Modellierung naher kosmischer Strukturen verfügen (Kollegen aus Potsdam). Davon sind wir sehr angetan. Welche Langzeitauswirkung des Projekts erhoffen Sie sich? Wie bereitet es die Wissenschaftsgemeinde auf das Zeitalter großer kosmologischer Daten vor? GalaxyDance wird eine neue Möglichkeit bieten, um kosmologische Tests von Gravitationstheorien in die Realität umzusetzen. Die Endergebnisse werden, unabhängig von der Theorie, die sie favorisieren (Dunkle Energie oder modifizierte Schwerkraft), weitreichende und bahnbrechende Konsequenzen für unser Verständnis des Universums im größtmöglichen Umfang haben. Stellen unsere Tests letztendlich eine Signatur neuer Physik bereit, die sich bei Theorien über die Gravitation hinaus erahnen ließen, wird unsere derzeitige Sichtweise auf die und unser Verständnis von der umfassenden Evolution des Kosmos erschüttert werden. Wenn unsere Untersuchung jedoch die Allgemeine Relativitätstheorie stärkt, müssen wir noch mal genauer hinschauen, um das Mysterium der Dunklen Energie zu erklären.
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Polen