Graphen ermöglicht niedrigdimensionale Spintronik bei Raumtemperatur
Schon von Beginn an erkannte das Programm Graphene Flagship das Potential von Spintronikvorrichtungen, die aus Graphen und damit verwandten Materialien bestehen. Forscher von verschiedenen Universitäten zeigten erfolgreich, dass es möglich ist, die Spineigenschaften von Graphen bei Raumtemperatur in kontrollierter Weise zu beeinflussen. Diese Ergebnisse inspirieren neue Entwicklungsrichtungen hinsichtlich Spinlogikvorrichtungen und Quanteninformatik. „Da Miniaturisierung eine wesentliche treibende Kraft hinter der Elektronikindustrie ist, eröffnet Graphen neue Möglichkeiten für kompakte Spinlogikoperationen mit Magnetspeicherelementen in einer einzelnen Plattform“, bemerkt Forschungsprofessor Stephan Roche vom katalanischen Institut für Forschung und höhere Studien (ICREA), der das Arbeitspaket „Spintronics Work Package“ der „Graphene Flagship“-Initiative seit dessen Initiierung leitet. Materialmängel machen nichts mehr aus Graphen erweitert den Kommunikationsbereich zwischen Spintronikvorrichtungen zu geringen Energiekosten von Nanometern auf Mikrometer. Obgleich erste theoretische Vorhersagen von einer Spinlebensdauer in dem Material von etwa einer Mikrosekunde ausgingen, haben jüngere Experimente gezeigt, dass im günstigsten Fall wenige Nanosekunden möglich sind. Diese rätselhafte Diskrepanz legte zunächst nahe, dass vor allem Verunreinigungen und Mängel des Materials für die Spinrelaxation verantwortlich sind. Flagship-Forscher haben diese konventionell berücksichtigten Mechanismen der Spinrelaxation jedoch in Frage gestellt, und mehrere neue Mechanismen vorgeschlagen, die einzig und allein auf Graphen zutreffen. Es wurde insbesondere beobachtet, dass die Geschwindigkeit der Spinrelaxation in Systemen, die aus Graphen und Übergangsmetall-Dichalkogeniden bestehen, stark davon abhängt, ob die Spins in Richtung der Graphenschicht zeigen oder von dieser weg zeigen. „Graphen, das eine Grenzfläche mit einem Übergangsmetall-Dichalkogenid bildet, könnte als Spinfilter fungieren, da der Transfer von Spininformationen von der Ausgangsspinpolarisation der injizierten Elektronen abhängt, sodass neue, energieschonende Spintransistorkonzepte ermöglicht werden“, erklärt Prof. Roche. Es wurden bedeutsame Experimente bei Raumtemperatur durchgeführt, die insbesondere für die externe Beeinflussung von Elektronenspins in Graphen wichtig sind. Der ultimative Schalter Da Graphen die Spinkohärenz über hinreichend lange Abstände aufrechterhalten kann, könnte die Integration von Graphen in ein anderes Schichtmaterial, in dem der Spin für erheblich weniger Zeit aufrechterhalten bleibt, in der Herstellung einer Vorrichtung resultieren, die einem Spin-Feldeffekttransistor ähnelt. Durch die Kombination von Graphen mit Molybdändisulfid (MoS2) (in dem der Spin Pikosekunden andauert) demonstrierten Flagship-Forscher, dass es unter Verwendung von Gatespannung möglich ist, zu kontrollieren, wohin der Spin gehen kann. „Diese Kombination von Graphen mit einem anderen dünnen 2D-Material mit kontrastierenden Spintronikeigenschaften ermöglicht die Erstellung eines Spinschalters“, erklärt Prof. Roche. Die Forscher entschieden sich aufgrund der geringen Spin-Lebensdauer, die auf die starke Spin-Bahn-Kopplung zurückgeht, für MoS2. Diese Materialmischung funktioniert sogar bei Raumtemperatur. Erhöhung von Spinsignalen Ausgehend von Studien der Forschungsliteratur wurden Abweichungen in der Leitfähigkeit als wichtiger Faktor identifiziert, der die Spininjektion von Ferromagneten in Halbleiter wesentlich reduzieren kann. Das Flagship-Team zeigte, dass die Effizienz bei der Injektion und Detektion von Spinelektronen in Graphen unter Verwendung von mehreren Materialschichten deutlich verbessert werden kann. Dieses bestand aus einem Bornitridisolator zwischen der Graphenschicht und den ferromagnetischen Spininjektor-/-detektorelektroden. In der hergestellten Vorrichtung wurde die Polarisation bei Spannung auf bis zu 70 % erhöht – dies stellt die Erkenntnis aus dem Lehrbuch in Frage, dass ausschließlich Ferromagneten die Spinpolarisation beeinflussen können. Es wurde vielmehr festgestellt, dass sich der Quantentunneleffekt in den Vorrichtungen auf die Spinpolarisation auswirkt. Der Spin überbrückte bei Raumtemperatur in mehr als drei Nanosekunden einen Abstand von zehn Mikrometern. „Die Verwendung von Graphen und anderer 2D-Materialien zur Verbesserung von Spin-Torque-basierten Speichern der nächsten Generation (wie zum Beispiel STT-MRAM und SOT-MRAM) ist auch extrem attraktiv, und hat das IMEC dazu angespornt, die Leitung des Konsortiums zu übernehmen und an deren großflächigen Integration in die Produktionsumgebung zu arbeiten“, sagt Kevin Garello, Leiter des Work Package und Forscher am IMEC, der für die Erforschung aufstrebender fortschrittlicher Magnetspeicherkonzepte verantwortlich ist.
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