Wissenschaft im Trend: Ein winziges Gerät mit „atomaren Speicher“ hat Platz für jedes Buch, das je geschrieben wurde
Das 1-Kilobyte-Gerät verfügt über eine Informationsspeicherdichte, die zwei bis drei Größenordnungen über der derzeitigen Dichte von Festplatten- oder Flash-Technologie liegt. Indem sie jedem Datenbit je ein einzelnes Chloratom zuordneten, gelang es den Forschern, eine Dichte von 500 Terabit pro Quadratzoll zu erreichen. „So würde für sämtliche Bücher, die je geschrieben wurden, eine Speicherfläche in der Größe einer Briefmarke ausreichen“, erklärte der leitende Autor der Studie Sander Otte, ein Physiker am Kavli Institute of Nanoscience der Delft University of Technology (TU Delft) in den Niederlanden. Um dies mit einem anderen Vergleich zu veranschaulichen: Das Forscherteam schätzte, dass man auf einem 100 Mikronen breiten Würfel – dessen Breite dem Durchmesser eines durchschnittlichen menschlichen Haares entsprechen würde – alle Inhalte der amerikanischen Library of Congress (Kongressbibliothek) speichern könnte. Die Wissenschaftler entwickelten ihr atomares Speichergerät mithilfe eines Rastertunnelmikroskops (RTM), dank dessen extrem scharfer Nadel jedes Atom auf der Oberfläche einzeln betrachtet werden konnte. Mithilfe des RTMs können Atome nicht nur betrachtet, sondern auch bewegt werden. Computer stellen Daten mithilfe der Zahlen 1 und 0 dar – binäre Zahlen, die als Bits bezeichnet und ausgewählt werden, indem winzige schalterartige Transistoren entweder an- oder ausgeschaltet werden. Bei dem neuen atomaren Speichergerät stehen jedem Bit zwei mögliche Positionen auf einer Kupferoberfläche gegenüber, wobei sich ein Chloratom zwischen diesen zwei Positionen hin- und herbewegen kann, so die Wissenschaftler. „Jedes Bit repräsentiert zwei Positionen auf einer Oberfläche aus Kupferatomen und ein Chloratom, das zwischen diesen beiden Positionen hin- und hergeschoben werden kann“, merkte Otte an. „Wenn sich das Chloratom in der oberen Position befindet, entsteht unter ihm ein Loch. Dies entspricht einer 1. Wenn sich das Loch in der oberen Position und das Chloratom daher in der unteren Position befindet, stellt dieses Bit eine 0 dar.“ Die Bits werden durch Reihen von anderen Chloratomen voneinander getrennt. Die Wissenschaftler stellten fest, dass diese Reihen die Bits für mehr als 40 Stunden an ihrer Position fixieren können. Den Forschern zufolge ist dieses System der Verdichtung von Atomen weitaus stabiler und zuverlässiger als andere Strategien für atomare Speicher, bei denen freie Atome verwendet werden. Daher ist diese Methode für Datenspeicheranwendungen deutlich geeigneter. Diese Atome wurden in 127 Blöcke mit jeweils 64 Bits aufgeteilt. Jeder Block wurde mit einem Muster aus Löchern als Markierung gekennzeichnet. Diese Markierungen ähneln QR-Codes, die heutzutage häufig für Werbung und Tickets verwendet werden. Diese Markierungen können die Position jedes Blocks auf der Kupferoberfläche präzise kennzeichnen. Die Markierungen geben auch an, ob ein Block beschädigt ist. Diese Beschädigung kann durch eine Verunreinigung oder einen Makel auf der Kupferoberfläche entstanden sein – laut den Forschern sind ungefähr 12 % der Blöcke wegen solcher Probleme nicht für die Datensicherung geeignet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass dieses strukturierte Markierungssystem atomare Speicher mit extrem hoher Kapazität ermöglichen könnte – selbst dann, wenn die Kupferoberfläche, auf der die Daten gespeichert sind, nicht perfekt ist, so die Forscher. Als Grundsatzbeweis haben die Wissenschaftler einen Ausschnitt aus einem berühmten Vortrag namens „There’s plenty of room at the bottom“ (Unten ist eine Menge Platz) von dem bekannten Physiker Richard Feynman auf einem 100 Nanometer breiten Bereich kodiert. Trotz der vielversprechenden Zukunft ist dieser Ansatz allerdings noch nicht für die umfassende Vermarktung bereit. Eine zuverlässige Datensicherung konnte nur bei einer Temperatur von 77 °Kelvin (-196 °C) erreicht werden. Zudem ist die Geschwindigkeit der einzelnen Schreib- und Lesevorgänge immer noch langsam – sie liegen im Minutenbereich. Obwohl die Projektergebnisse durchaus eine große Errungenschaft darstellen, zeigt das große Potenzial atomaren Speichers Otte zufolge lediglich, wie gut Wissenschaftler Geräte mittlerweile auf atomarer Ebene entwickeln können. „Zu diesem Zeitpunkt kann ich nicht vorhersagen, wohin uns diese Reise führen wird, ich bin jedoch überzeugt, dass unsere künftigen Ergebnisse deutlich spannender sein werden als Datenspeicher“, merkte er an. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“ veröffentlicht.
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