Neuartige Verfahren zur Bewertung von Stressreaktionen bei Fischen
Das EU-finanzierte Projekt COPEWELL (A new integrative framework for the study of fish welfare based on the concepts of allostasis, appraisal and coping styles) wurde im Dezember 2015 abgeschlossen. Das Projektteam will jedoch auch im Jahr 2016 noch weitere Papiere veröffentlichen. Das Hauptziel, das darin bestand, die Physiologie, die Biologie und das Verhalten der Fische sowie die Mechanismen, die dies untermauern und die Art und Weise, wie Formen der Bewältigung entstehen, besser verstehen zu können, wurde weitestgehend erreicht. Dr. Tore Kristiansen koordinierte das Projekt für das norwegische Institut für Meeresforschung. Er äußert sich darüber, wie die Ergebnisse unser Wissen über die Entwicklung der Gehirnfunktion, des Verhaltens und von Stressreaktionen bei Zuchtfischen vertiefen, und welche Instrumente das Projekt bietet, um das Wohlbefinden der Fische besser beurteilen zu können. Und nicht zuletzt möchte man auf Lösungen hinweisen, die das Wohlbefinden der Fische verbessern. Warum ist es wichtig, mehr darüber zu wissen, wie Fische ihre Welt erleben? Darum geht es doch, wenn man vom Wohlbefinden der Fische spricht! Wir wollen die Lebensqualität untersuchen, wie sie die Fische erfahren. Hatten sie schöne Erlebnisse oder nicht? Wie gut oder schlecht war es? Es ist noch umstritten, ob Fische bewusst erleben können, und genau das wollten wir untersuchen. Welche Methodik haben Sie bei dieser Untersuchung angewandt? Die Herausforderung bestand darin, Verfahren zu entwickeln, die unsere Fragen beantworten konnten. Insbesondere für die gezüchteten Arten waren die erforderlichen Größen und die benötigte Anzahl der Versuchsanlagen eine Herausforderung. Wir entwickelten verschiedene Verfahren und verwendeten kleine Zebrabärblinge als Modellorganismus. Anschließend haben wir einige dieser Verfahren für Europäische Seebrassen, Goldbrassen und Atlantischen Lachs vergrößert. Ein Beispiel für ein im Rahmen von COPEWELL angewandtes Verfahren ist der konditionierte Platzpräferenz-Test, bei dem die Fische in verschiedenen Bereichen eines Aquariums lohnenden oder aversiven Zuständen ausgesetzt werden. Die Bereiche, in denen sie die vermeintlich guten oder schlechten Reize erlebten, wurden mit unterschiedlichen Hintergrundmustern markiert. Wenn die Fische den Zustand als aversiv erleben, werden sie dieses Muster später mit der aversiven Erfahrung assoziieren und diesen Bereich meiden. Dadurch zeigt sich dann ihre subjektive Erfahrung. Wenn die Stimuli als positiv erlebt wurden, wird das Gegenteil geschehen. Neben dem Fischverhalten betrachteten wir auch die Genexpression der sogenannten Immediate-Early-Gene und der Monoamine im Gehirn, damit wir untersuchen konnten, welche Bereiche des Gehirns betroffen waren. Warum haben Sie sich entschieden, die Forschung auf verschiedene Arten auszudehnen? Es ist wichtig zu begreifen, dass ein Fisch nicht nur ein Fisch ist. Auf der Welt gibt es rund 30.000 Fischarten, und der Unterschied zwischen einzelnen Spezies ist möglicherweise größer als der zwischen einer Fledermaus und einem Elefanten. Wenn man einen Lachs mit einem Wolfsbarsch vergleicht, ist das wie ein Vergleich zwischen einem Tiger und einem Hund, oder zwischen einem Schwein und einem Pferd. Sogar innerhalb einer Spezies haben wir verschiedene Formen der Bewältigung oder „Persönlichkeiten“ entdeckt: Fische verhielten sich unterschiedlich und reagierten sowohl neurophysiologisch als auch genomisch auf die gleichen Erlebnisse in unterschiedlicher Weise. Was haben Sie hinsichtlich der Folgen eines beeinträchtigten Wohlbefindens der Fische gelernt? In vielen Versuchen konnten wir sehen, dass die Fische eine bemerkenswerte Fähigkeit haben, sich an Stressbedingungen anzupassen, wenn sie die gegebenen Herausforderungen bewältigen können. Alternativ zum alten Modell der Homöostase stand das Konzept der „Allostase“ im Zentrum des Projekts. Statt Bedingungen zu schaffen, die so wenig Stressfaktoren wie möglich aufweisen, sollten die Fische Stressfaktoren ausgesetzt werden, mit denen sie erfolgreich umgehen können. Das Gehirn belohnt ein erfolgreiches Verhalten, und eine solche Belohnung schafft angenehme Erfahrungen und ein positives Wohlbefinden. Natürlich haben alle Organismen begrenzte Ressourcen: Zu viele Herausforderungen und Stressfaktoren führen zu einem Verschleiß des Körpers und schließlich zum Zusammenbruch der gesamten physiologischen Funktionen. Was sind nach Ihrer Meinung darüber hinaus die wichtigsten Ergebnisse des Projektes? Im Projekt COPEWELL haben wir vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte der Fischwirtschaft untersucht, wie frühe Lebenserfahrungen die spätere Entwicklung, das Verhalten, die Neurochemie des Gehirns und die Reaktion auf Stress beeinflussen. Wir haben gezeigt, dass wir die Art und Weise, wie Fische auf Stressfaktoren reagieren, ändern können, indem wir vorhersehbare Bedingungen schaffen. Dem Allostase-Modell zufolge regulieren Fische (oder Menschen) ihre Körperfunktionen nach den prognostizierten Anforderungen. Wenn die Bedingungen vorhersehbar sind – was bedeutet, dass die Fische schon einmal eine ähnliche Situation erlebt haben und abschätzen können, was auf sie zukommt, werden sie in besser geeigneter Weise auf Stress reagieren, anstatt zu überreagieren und mehr Ressourcen als nötig zur Bewältigung der Stresssituation aufzubringen. Endlich können wir nun die im Gehirn zugrunde liegenden Mechanismen besser verstehen, aber die Karte zeigt hier noch viele weiße Flächen. Bei den Fischen befinden wir uns immer noch im Frühstadium der Neurowissenschaften. Wie kann die Fischwirtschaft von Ihren Erkenntnissen profitieren? Der Umgang mit Stress ist ein wesentlicher Grund für das Sterben von Zuchtfischen. Wenn wir den Fischen beibringen, wie sie mit Stressfaktoren wie beispielsweise Überbevölkerung oder Pumpen besser umgehen können, sollte das zu einer höheren Überlebensrate und mehr Wachstum führen. Auch Fische brauchen Training und Ausbildung! Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass Fische unterschiedliche Formen der Bewältigung oder Persönlichkeiten aufweisen, die sich mehr oder weniger für die Bedingungen in der Fischwirtschaft eignen. Das sollte weiter untersucht und bei den Zuchtprogrammen umgesetzt werden. Das Projekt ist bereits abgeschlossen, aber Sie sagten bereits, dass Sie 2016 noch weitere Papiere veröffentlichen werden. Können Sie uns mehr über die laufenden Arbeiten erzählen? Ich glaube, bislang haben wir 25 projektbezogene Papiere veröffentlicht, und es sind noch 20 weitere in der Pipeline. Wir hoffen, dass die meisten davon akzeptiert werden. Ich muss auch noch erwähnen, dass es bei uns vier Studenten gibt, die ihre Doktorabeit bereits verteidigt und den Doktortitel erlangt haben, und einige weitere werden ihren Abschluss in diesem Jahr machen. COPEWELL Gefördert unter FP7-KBBE Projektseite auf CORDIS
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Norwegen