Leichte Materialien bieten Chancen auf Schienenfahrzeuge der nächsten Generation
Die Transportindustrie bemüht sich seit Langem, neue leichte Materialien zur konstruktiven Ausführung tragenden Teile einzusetzen. In der Luftfahrtindustrie, in der das Gewicht eines Flugzeugs ein entscheidender Faktor für den Treibstoffverbrauch ist, ersetzen Kompositmaterialien jetzt sowohl im Tragwerk als auch bei anderen Teilen die Metallmaterialien. Die Eisenbahnindustrie könnte ebenfalls von diesen neuen Strukturmaterialien profitieren. Wenn der Fahrzeugaufbau des Eisenbahnwaggons aus Kompositmaterial bestünde, würde sich das Gewicht des Waggons um 20 bis 30 Prozent reduzieren. Diese Gewichtseinsparungen würden zu einem niedrigeren Energieverbrauch und einer Senkung der CO2-Emissionen von mindestens 5 % führen. Regulatorische Einschränkungen Die heutigen europäischen Rechtsvorschriften erlauben den Herstellern von Zügen derzeit nicht den Einsatz von Kompositmaterialien bei der Konstruktion von Waggonaufbauten. Der Eisenbahnsektor verwendet Komposite derzeit nur für nicht tragende Strukturelemente, und Stahl wird hauptsächlich für die Zugkarosserie verwendet. Zu den größten Hürden, die es zu überwinden gilt, gehört das Fehlen eines passenden Zertifizierungsverfahrens, das die spezifischen betrieblichen Anforderungen eines Eisenbahnfahrzeugs abdeckt. Das EU-finanzierte REFRESCO-Projekt wurde gegründet, um Lösungen für diese und andere Hürden bereitzustellen. Außerdem soll der Weg für die Anpassung neuer Verfahren geebnet werden, die den Einsatz von Kompositmaterialien in der Fertigung von Eisenbahnwaggons erlauben. Benchmarking von Materialien REFRESCO hat einen Leistungsvergleich der vielversprechendsten neuen Materialien angestellt, die innerhalb und außerhalb des Verkehrssektors verwendet werden und in die Schienenfahrzeuge der Eisenbahn integriert werden könnten. Nach einer Analyse der Zertifizierungsverfahren und der für die Tragwerke von Eisenbahnfahrzeugen gültigen Normen hat das Projekt herausgefunden, dass das derzeitig geltende europäische Eisenbahnzertifizierungsverfahren Möglichkeiten für innovative Lösungen bereithält. Jedoch sind die technischen Normen für den Nachweis der Konformität von Karosserien aus Kompositmaterialien noch nicht etabliert und müssen weiter entwickelt werden. Im Anschluss an eine Lückenanalyse kam REFRESCO zu dem Ergebnis, dass selbst dann, wenn einige Normen eine Anpassung an das Verhalten von Kompositmaterialien benötigen, die meisten ohne Sicherheitseinbußen auf eine Rohkarosserie aus Komposit angewendet werden können. Strukturelle Betrachtungen Beim Studium der praktischen strukturellen Anforderungen an eine Übernahme von Kompositmaterial hat sich das Projekt auf Themen wie Stärke, Bruch- und Feuerresistenz, Lärm und Schwingungen, elektromagnetische Kompatibilität sowie Wartungsfreundlichkeit konzentriert. Aufgrund strenger Sicherheitsbestimmungen untersuchte das Projekt die Bruchfestigkeit von Kompositmaterialien im Detail. Kompositmaterialien verhalten sich anders als Materialien wie Stahl oder Aluminium. Sie sind spröder und orthotrop. Dadurch kommt die Frage nach der Festigkeit einer Karosseriestruktur aus Kompositmaterialien im Falle eines Aufpralls auf. Referenz-Crashsimulationen wurden an heute üblichen Metallstrukturen durchgeführt, um ihr Verhalten zu beobachten und das derzeitige Sicherheitsverhalten zu bestätigen. Kompositmaterialien wurden in eine Abteilkarosserie integriert, wobei die ersten Ergebnisse einige Risse aufwiesen. Das Projekt stellte aber fest, dass es durch Verstärkung der Kompositstruktur oder Vergrößerung der umgebenden metallischen Übergangsstellen möglich ist, den Crashtest zu bestehen. Das Projekt kam auch zu dem Schluss, dass auch die Wartungsverfahren modifiziert werden müssen, sollten Kompositmaterialien eingeführt werden. Nicht nur müssten die Wartungshallen entsprechend ausgestattet werden, sondern auch die Eisenbahntechniker müssten eine Ausbildung für das Arbeiten mit Kompositen erhalten. Nächste Schritte Derzeit sind die Preise für Komposite höher als für Stahl, jedoch wird hier ebenfalls eine Änderung erwartet, da sich auch die Automobilindustrie ihrer immer mehr bedient. Zudem nimmt die Produktion von Rohstoffen für Komposite zu, was ihren Preis wahrscheinlich noch weiter senken wird. Obwohl das REFRESCO-Projekt im Februar 2016 offiziell beendet wurde, wollen die Projektpartner seine Ergebnisse benutzen, um mit den Regulierungsbehörden an der Aktualisierung der Zertifizierungsverfahren zu arbeiten. Das würde der Eisenbahnindustrie helfen, die Vorteile dieser vielversprechenden leichten Materialien zu nutzen. Weitere Informationen finden Sie auf der: REFRESCO-Projektwebsite
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Belgien