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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Einblick in die zukünftige Kohlendioxidaufnahme der Ozeane

Christoph Heinze, Koordinator von CARBOCHANGE, erläutert die Projektergebnisse zur Quantifizierung der Netto-Kohlendioxidaufnahme der Ozeane unter verschiedenen Szenarien des Klimawandels.

Meere und Ozeane tragen wesentlich zur Aufnahme von durch menschliche Aktivitäten verursachten CO2-Emissionen aus der Atmosphäre bei. Aber bedeutet das, dass wir uns auf diese Fähigkeit verlassen können, um etwas am fortschreitenden Klimawandel zu ändern? Und, was noch wichtiger ist, wohin geht das überschüssige CO2 aus der Atmosphäre? Das CARBOCHANGE-Projekt hat die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Vorhersagen zu diesem Thema erheblich vorangebracht. Mithilfe eines umfangreichen Netzwerks von Bojen, Schwimmern und Forschungsschiffen zielte das von der EU finanzierte Projekt CARBOCHANGE (Changes in carbon uptake and emissions by oceans in a changing climate) darauf ab, die bestmögliche Quantifizierung der Netto-Kohlendioxidaufnahme der Ozeane jetzt und in der Zukunft zu liefern. Dazu wurden verschiedene Klimaszenarien auf der Basis von vergangenen und heutigen Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufs der Ozeane berücksichtigt. Diese Forschung ist der Schlüssel, um die Zukunft der Erde unter wechselnden Klimabedingungen zu verstehen, da angenommen wurde, dass die Ozeane über ein Viertel des CO2, das Menschen über die letzten 20 Jahre in die Atmosphäre gepumpt haben, aufgenommen haben. Die Kehrseite dieses Prozesses ist, dass mit der CO2-Aufnahme die Ozeane versauern, was dramatische Folgen für das Leben im Meer hat. Noch schlimmer ist, dass die Meere eventuell nicht in der Lage sein werden, einen künftigen Anstieg der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen in der gleichen Art wie bisher zu bewältigen. Das Projekt ist nun abgeschlossen und seine Ergebnisse liefern den Forschern nicht nur wertvolle Daten und ein globales Kohlenstoffmodell, sondern sie verbessern auch das wissenschaftliche Verständnis der biochemischen und physikalischen Schlüsselprozesse, quantifizieren diese, beleuchten die Gefährdung der Ozeane durch eine erhöhte CO2-Aufnahme, helfen bei der Voraussage des zukünftigen Klimas und sollen politischen Entscheidungsträger helfen, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Christoph Heinze, Professor für chemische Ozeanographie an der Universität Bergen und Koordinator von CARBOCHANGE, erläutert einige der wichtigsten Ergebnisse des Projekts. Worauf stützt sich ihr Vorhersagemodell? Unsere Arbeit bestand in der Quantifizierung des CO2-Transfers zwischen den Meeren und der Atmosphäre sowie der Kohlenstoffflüsse in den Ozeanen selbst. Dazu wurde eine Kombination aus Beobachtungsdatensätzen und Modellen eingesetzt. Die Beobachtungsdatensätze, zu denen Meeresoberflächendaten sowie Daten zur Wassersäule des ozeanischen Kohlenstoffsystems gehören, wurden in Kombination mit prädiktiven und diagnostischen Modellen verwendet. Die Erdsystemmodelle, die für Hochrechnungen auf Basis von Emissionsszenarien verwendet wurden, gehören zu den komplexesten und anspruchsvollsten Computerprogrammen, die jemals von menschlichen Gehirnen entworfen wurden. Da der marine Kohlenstoffkreislauf von Physik, Chemie und biologischer Wirkung beeinflusst wird, war ein interdisziplinäres Team erforderlich, um die Herausforderung der Quantifizierung von Veränderungen im Kohlenstoffhaushalt im Zeichen des Klimawandels anzugehen. Was sind die wichtigsten Ergebnisse des Projekts in Bezug auf Faktoren, die die reduzierte Kohlendioxidaufnahme der Ozeane stark beeinflussen? Es gibt Belege für erhebliche regionale und zeitliche Variationen der Luft-Meer-CO2-Flüsse in verschiedenen Zeitskalen, die bis zu einer Größenordnung von plus oder minus 50 % für bestimmte Meeresbereiche gehen. Das gleiche gilt für die Varianten der Aufnahme des von Menschen erzeugten CO2 aus der Atmosphäre durch die Ozeane.  Allerdings kann eine vorübergehende Abschwächung der Kohlendioxidaufnahme in einem Ozeanbecken durch erhöhte Aufnahme an einer anderen Stelle kompensiert werden. Alles in allem konnten die Jahresraten der marinen CO2-Aufnahme bislang mehr oder weniger mit dem Anstieg des atmosphärischen CO2 Schritt halten: Der effektive jährliche Prozentsatz neuer, durch den Menschen verursachter CO2-Emissionen, die von den Ozeanen weltweit aufgenommen werden, ist ziemlich konstant. Allerdings offenbaren Zukunftsprognosen mit Erdsystemmodellen, die entweder vollwertige komplexe Modellsysteme oder sogenannte Erdsystemmodelle mittlerer Komplexität sind, dass sich das möglicherweise ändern wird, wenn sich die CO2-Emissionen weiterhin in der Atmosphäre anreichern und sich der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten beschleunigt. Eine schleppendere Ozeanzirkulation in Kombination mit einem Rückgang der Pufferfähigkeit des Meerwassers bei hohen CO2-Konzentrationen auf der Meeresoberfläche werden zu einer Schwächung der Effizienz der CO2-Aufnahme durch die Ozean führen. Zu den aufregenden neuen Ergebnissen gehört der Effekt einer erhöhten bakteriellen Zersetzung von organischen Stoffen in der Meereswassersäule und die Abnahme von biogenen Aerosolemissionen in die Atmosphäre unter steigenden Temperaturen. Beide Rückkopplungseffekte werden die globale Erwärmung beschleunigen. Was sind Ihrer Meinung nach die bahnbrechendsten Leistungen von CARBOCHANGE? Das Projektteam hat eine Reihe wichtiger Ergebnisse erzielt. Ich will nur einige zu nennen. Zunächst einmal hat das Team zu Erdsystemmodellprojektionen als Grundlage für die Bewertungsberichte des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) beigetragen, weiterhin zu den jährlichen Aktualisierungen des globalen Kohlenstoffhaushalts (Global Carbon Budget), die über das Global Carbon Project herausgegeben werden, sowie zu den umfassendsten und hochwertigsten Beobachtungsdatensammlungen zum ozeanischen Kohlenstoff (SOCAT für die Ozeanoberfläche und GLODAP für den dreidimensionalen Ozean), die jemals erhoben wurden. CARBOCHANGE hat somit einen wesentlichen Beitrag zu großen internationalen Forschungsanstrengungen geleistet, und das wurde von unseren Kollegen weltweit anerkannt. Weitere erwähnenswerte Ergebnisse sind die Entdeckung, dass, um die globale Erwärmung, die Versauerung der Ozeane, die schwindende Sauerstoffversorgung der Meere und den Landbiomasseverlust zu begrenzen, strengere CO2-Emissionssenkungen im Vergleich zu dem, was nur für die Bekämpfung der globalen Erwärmung erforderlich wäre, notwendig sind. Wir fanden auch heraus, dass die fortschreitende Versauerung der Meere eindeutig auch die Tiefsee beeinflusst, was vor allem bei gefährdeten Tiefseeorganismen mit dem potentiellen Verlust der biologischen Vielfalt einhergeht. Schließlich haben wir Beweise vorgelegt, dass in den nächsten Jahrzehnten die kombinierten Stressfaktoren für die Meeresökosysteme immer kritischer werden, wobei die sich entwickelnden Hot Spots anhand von Modellen geschätzt werden können. Hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten während des Projekts und wie haben Sie diese gelöst? Als Wissenschaftler arbeiten wir immer an den Grenzen unserer Fähigkeiten. Das macht unseren Beruf anstrengend und aufregend zugleich. Wir hatten keine größeren logistischen Schwierigkeiten bei diesem Projekt - das Konsortium arbeitete sehr konstruktiv. Ein auftauchendes Problem bestand jedoch darin, dass die systematische Kombination von Beobachtungsdatensätzen mit komplexen Ozeanmodellen schwieriger ist, als wir zu Beginn des Projekts erwartet hatten. Wir konnten einige wichtige Verbesserungen bei den Modellen erreichen und neue Einblicke in die Kohlenstoffaufnahme durch Prozesse wie Datenassimilationsverfahren gewinnen. Aber um die Beobachtungen der heutigen Ozeane voll ausschöpfen zu können, müsste man zunächst die Erdsystemmodelle systematisch auf eine Situation hin kalibrieren, welche die ungestörte vorindustrielle Welt darstellt. Um das Problem zu lösen, muss man allerdings sehr teure Computermodelle wiederholt durchlaufen lassen. Das ist eine Herausforderung, in der künftigen Arbeit wieder angesprochen werden muss. Wie werden Meere und Ozeane von den verschiedenen Klimaszenarien betroffen sein? Hier lässt sich klar sagen, dass kleinere Mengen weiterer Emissionen pro Jahr zu einer besseren Widerstandsfähigkeit der Ozeane gegenüber den vom Menschen verursachten Belastungen führen werden. Ozeanerwärmung und CO2-Aufnahme aus der Atmosphäre entwickeln sich über lange Zeiträume hinweg, über zehntausende von Jahren. Selbst wenn wir die CO2-Emissionen in die Atmosphäre aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, Landnutzungsänderung und der Zementherstellung sofort stoppen würden, würde das Meer erst nach mehreren Zehntausenden von Jahren sowohl physikalisch als auch chemisch zu seinem Quasi-Gleichgewicht zurückfinden. Aber es ist auch wichtig zu beachten, dass Hochrechnungen der marinen CO2-Aufnahme unter sogenannten grünen Emissionsszenarien (mit einer starken, unmittelbar bevorstehenden Verringerung der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen) zeigen, dass in diesem Fall die bemerkenswerte Pufferkapazität des Ozeans für CO2 effektiver ins Spiel kommen wird. Wenn menschliche Gesellschaften die im RCP2.6- oder zumindest RCP4.5-Szenario vorgesehenen Emissionswerte erreichen könnten, könnte der Schaden am System Erde begrenzt werden. Doch im Moment funktioniert die Welt noch unter dem „Business as usual-Szenario“ RCP8.5. Diese Entwicklung ist Grund zu ernster Sorge. Wie werden sich Ihre Forschungen Ihrer Meinung nach auswirken? Menschliche Gesellschaften müssen sich schnell in Richtung auf eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen und eine dekarbonisierte Energieerzeugung bewegen. Unsere Forschung hilft dabei, optimale Wege für den Klimaschutz zu finden, um die globalen Klima- und Umweltveränderungen zu bewältigen. Die Quantifizierung der marinen Kohlenstoffsenken und Quellen in Bezug auf die Atmosphäre ist gleichermaßen wichtig, um das Schicksal des vom Menschen erzeugten CO2 zu verfolgen. Wo wird es enden, was steuert seinen Kreislauf, haben wir bisher wesentliche Prozesse übersehen? Wir haben Methoden entwickelt, um den Kohlenstoffkreislauf der Ozeane langfristig mit einer Reihe von Methoden zu beobachten und zu simulieren, die sich gegenseitig ergänzen. Diese Techniken müssen erweitert und auch in Zukunft angewandt werden, wenn sich die CO2-Emissionen immer noch weiter stark erhöhen. Auch in Bezug auf die Überprüfung der nationalen Treibhausgasbudgets ist eine genaue Kenntnis des Ozeans als Kohlendioxidsenke wesentlich, da so genauere Quantifizierungen der Luft-Meer-CO2-Flüsse von größeren Flächen als für die Landflächen durchgeführt werden können. Deshalb wollen wir die kontinentalen Veränderungen verstehen. Und das Wissen über das Meeresreich ist der Schlüssel dazu. Die Quantifizierung der ozeanischen Kohlenstoffzustandsgrößen unter CARBOCHANGE durch Modelle und Beobachtungen ist der Schlüssel zu Untersuchungen der Folgen von Versauerung. Relevanten Gemeinschaften steht jetzt eine Fülle von Daten zur Verfügung, um ihre Folgenexperimente zu skalieren. Haben Sie jetzt, da das Projekt beendet ist, Pläne für anschließende Forschungen? Wir haben konkrete Pläne, unsere Forschung in erweitertem Maße fortzusetzen. Dazu gehören neue und zusätzliche Sensoren an autonomen Schwimmern und Gleitern für CO2-Partialdruck, pH-Wert, Sauerstoff und andere Variablen sowie eine Erweiterung und kontinuierliche Unterstützung von Routinemessungen der CO2-Emissionen von Handelsschiffen. Wir sind bereits mit der Aktualisierung unserer Ozeanmodelle durch verbesserte Prozessdarstellungen für die nächste Runde der Klimaprognosen für internationale Bewertungen beschäftigt. Neue Versionen der internationalen Syntheseberichte zu Ozeankohlenstoffdaten sind schon in Arbeit und wir sehen großes Potenzial für die Entwicklung neuer Konzepte für die Meeresökosystemmodellierung. Ein zentrales Thema für die kommenden Jahre wird die Verbesserung der jährlichen Kohlenstoffbudgets sowohl global als auch auf der Ebene der Meeresbecken und national sein. Wir entwickeln neue Ansätze zur optimalen Schätzung der fortschreitenden CO2-Belastung der Ozeane und auch zur Variation der entsprechenden CO2-Oberflächenflüsse zwischen Luft und Meer. Die Senkung der Unsicherheiten bei diesen Variablen wird zu einem soliden Verifikationssystem des Treibhausgasbudgets führen, das in den kommenden zehn Jahren von hoher politischer Relevanz sein wird. Verbundprojekte, die auf EU-Ebene koordiniert und durchgeführt werden, haben sich als ein effizientes Mittel zur Verlagerung der Grenzen der Treibhausgasforschung und zur optimalen Nutzung ihrer Ergebnisse im Hinblick auf eine hoffentlich nachhaltige Zukunft erwiesen. Weitere Informationen sind abrufbar unter: CARBOCHANGE https://carbochange.b.uib.no/

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