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Inhalt archiviert am 2024-04-18

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Neue Diagnosetechnologien für bakterielle Krankheitserreger

Das Team des RAPTADIAG-Projekts entwickelte ein neuartiges Diagnoseverfahren für bakterielle Meningitis, das für den Nachweis bakterieller Krankheitserreger aller Art angewendet werden könnte.

Im RP7-Jargon wird RAPTADIAG als „kleines oder mittleres fokussiertes Forschungsprojekt“ kategorisiert. In den letzten beiden Jahren konnte das Konsortium ein neuartiges Diagnoseverfahren für bakterielle Meningitis jedoch auf eine umfassende Sammlung von Sensortechnologien ausweiten, mit dem wahrscheinlich bereits in Kürze bakterielle Krankheitserreger aller Art nachgewiesen werden können. Obwohl das Gesundheitswesen in letzter Zeit gewaltige Fortschritte verzeichnen konnte, ist die heutige Medizin noch immer von symptombasierten Behandlungen und kostenintensiven Diagnoseverfahren abhängig. Im Fall der „bakteriellen Meningitis“ (BM) entwickeln sich die Symptome typischerweise innerhalb von drei bis sieben Tagen nach der ersten Exposition – wenn überhaupt, denn manche Menschen können die Bakterien in sich tragen, ohne zu erkranken. Ohne Behandlung liegt die Sterberate bei 50 %, und die Wirksamkeit der Behandlung hängt davon ab, wie schnell sie aufgenommen wird. Laut Morten A. Geday, Koordinator des Projekts RAPTADIAG (Rapid Aptamer based diagnostics for bacterial meningitis) und Professor, wird die Wirksamkeit der Behandlung durch die Tatsache behindert, dass eine frühzeitige Diagnose derzeit nur unter Verwendung sehr kostspieliger Technologien möglich ist. Diese Verfahren benötigen nicht nur zu viel Zeit, um ein genaues Ergebnis zu liefern, sondern sind außerdem zu komplex, um außerhalb großer Krankenhäuser eingesetzt zu werden. Gemeinsam mit Partnern aus der Schweiz und Dänemark und dank der 2,2 Millionen Euro an EU-Fördermitteln konnte Prof.  Geday daran arbeiten, diese Problemstellungen mithilfe eines schnellen, leicht durchzuführenden und kostengünstigen Diagnoseverfahrens für Neisseria meningitides (Meningokokken) sowie Streptococcus pneumonia, die zusammen für 80 % aller BM-Erkrankungen verantwortlich sind, zu überwinden. Er und sein Team entwickelten bereits drei bahnbrechende Technologien, darunter ein Mikroresonanzsensor und ein Flüssigkristallsensor, und nun soll das Projekt auf die nächste Ebene angehoben werden. In diesem Interview spricht Prof.  Geday darüber, wie das Konsortium seit dem Start des Projekts im Jahr 2011 vorankam. Er führt außerdem die Erkenntnisse näher aus, die zur Überarbeitung des Grundkonzepts des Projekts führten, das zunächst auf eine bessere BM-Diagnose ausgerichtet war, doch dann auf ein viel größeres Bakterienspektrum ausgeweitet wurde. Dabei liegt der Schwerpunkt auf unterschiedlichen Krankheitserregern, die durch Lebensmittel oder das Wasser übertragen werden und sich in der Lebensmittelkette, den Wasserressourcen oder sogar in Klimaanlagen ausbreiten. Was ist so neu oder innovativ an dem Verfahren? Und wie funktioniert es? Die neuen Diagnoseverfahren werden weniger Zeit in Anspruch nehmen (Minuten anstatt Stunden oder Tagen) und weniger Geld kosten (einen einstelligen statt zweistelligen Eurobetrag) als aktuell verfügbare Technologien. Sie sollen den klinischen Bedarf für eine Diagnose dieser von hoher Morbidität gekennzeichneten Erkrankungen decken, um Fehldiagnosen unwahrscheinlicher zu machen und Antibiotika effizienter einsetzen zu können. Zur Erkennung der Mikroorganismen verwenden wir neuartige Aptamer-Rezeptoren anstatt herkömmlicher Antikörper. Aptamere sind im Grunde kurze, einzelsträngige DNA- oder RNA-Moleküle, die durch stranginterne Bindungen zwischen den Nukleinbasen dreidimensionale Strukturen annehmen können. Eine solche Struktur wird dann auf Grundlage einer hohen Affinität und Spezifität für das gewünschte Antigen oder Target ausgewählt. Gleichzeitig werden drei verschiedene Sensortechnologien entwickelt. Die erste Technologie besteht in der Anpassung des kommerziellen Evaneszent-Biosensors (Eva-Sensors), bei dem anstelle von Antikörpern Aptamer-Rezeptoren zum Einsatz kommen. Zwei eher experimentelle (an Hochschulen entwickelte) Technologien – ein Mikroresonanzsensor und ein Flüssigkristallsensor – werden derzeit angewendet, um einen Schnelltest mit signifikant geringeren Kosten zu entwickeln. Die Herausforderung bei der Entwicklung dieser beiden Sensoren lag vor allem darin, nachzuweisen, dass Mikroresonanzsensoren mit der erforderlichen Empfindlichkeit sowie Flüssigkristallsensoren mit dem Potential für Einzelzellerkennung überhaupt möglich sind. Worin bestanden die größten Probleme, und wie konnten Sie sie lösen? Das Projekt war mit zwei Problemen konfrontiert, einem technischen und einem wissenschaftlichen. Kurz nach Projektbeginn ging einer der wichtigsten Partner Bankrott. Somit hatten wir plötzlich nicht mehr die Möglichkeit, die entscheidenden Rezeptormoleküle, die Aptamere, zu entwickeln. Die Lösung kam schließlich von einem der Partner, der die Initiative ergriff und die wichtigsten Mitarbeiter des insolventen Partners übernahm. Das Zurechtkommen mit der Insolvenz, die Neudefinition der Verantwortlichkeiten und das Projekt wieder voll in Gang zu setzen führte zu einer Verzögerung von sechs Monaten. Die äußerst erfolgreiche Entwicklung sowohl des Flüssigkristall- als auch des Mikroresonanzsensors steht eng mit den damals von uns getroffenen Entscheidungen in Verbindung. Das zweite Problem – das wissenschaftliche – bestand in der Entwicklung BM-spezifischer Aptamere. Mit Fortschritt des Projekts wird immer klarer, dass das Konsortium nach aktuellem Stand der Dinge an die Grenzen seiner Möglichkeiten stoßen wird, wenn es darum geht, die erforderliche Affinität und Spezifität für die Targets zu erreichen. Ob dies an den Grenzen des Konsortiums oder denen der Aptamertechnologie liegt, ist nicht ganz eindeutig. Wir umgehen dieses Problem, indem wir zur Prüfung und Validierung der entwickelten Technologien BM-spezifische Antikörper und bereits verfügbare Aptamere einzusetzen, die auf andere Pathogene ausgerichtet sind. Sie haben sich also allmählich von BM entfernt, um sich auf andere Arten von Krankheitserregern zu konzentrieren. Wie kam es dazu? Während der Projektarbeit wurde immer klarer , dass sich eine günstigere und schnellere BM-Diagnose zwar sehr positiv auf die Erkennung und Eindämmung von BM-Epidemien in Entwicklungsländern auswirken würde, die klinischen Auswirkungen im Westen wahrscheinlich jedoch weitaus geringer wären. Gleichzeitig stellten wir fest, dass sich die entwickelten Technologien zur BM-Diagnose auch für den Nachweis bakterieller Krankheitserreger in vielen verschiedenen Zusammenhängen eignen, insbesondere für Pathogene, die über Lebensmittel oder Wasser übertragen werden und in der Lebensmittelkette, den Wasserressourcen oder in Klimaanlagen zu finden sind. Außerdem könnten diese Technologien neuartigen Diagnosemethoden für Humanpathogene in Speichel oder anderen Körperflüssigkeiten den Weg bereiten. Als Folge wurden in der letzten Runde des RP7 zahlreiche Vorschläge zur Weiterentwicklung dieser Technologien präsentiert, und ein noch viel ehrgeizigeres Projekt – das teilweise auf den Erfahrungen aus RAPTADIAG aufbaut – wird derzeit in einem Aufruf für Horizont 2020 bewertet. Werden Sie Ihr Ziel erreichen, bis Projektende mindestens ein kommerzielles Produkt vorweisen zu können? Das Projekt befindet sich auf gutem Wege. Der Eva-Sensor ist bereits erhältlich, und Davos Diagnostics hat bewiesen, dass die Technologie für den Nachweis von Bakterien mithilfe von Aptamererkennung sowie für andere Anwendungen tauglich ist. Andererseits sind sowohl die Mikroresonatoren als auch die Flüssigkristallsensoren noch nicht ausgereift genug. Diese Technologien benötigen einen starken industriellen Partner. In Anbetracht der Finanzsituation in Spanien ist es unwahrscheinlich, dass Finanzierung für ein Spin-Off mit den teilnehmenden Wissenschaftlern gefunden werden kann, daher muss die Technologie auf ein bereits bestehendes Unternehmen übertragen werden. Zusammen mit der Stelle für Technologietransfer der Hochschule werden wir in naher Zukunft beginnen, nach möglichen Partnern zu suchen. Würden Sie sagen, dass die Projektergebnisse Ihren Erwartungen entsprechen? Das Projekt sollte ursprünglich im Juni 2015 abgeschlossen werden und konnte bereits sehr viele unserer Ziele erreichen. Wir haben mit dem Eva-Sensor die Anwendung der Aptamere als Rezeptormoleküle für bakterielle Pathogene nachgewiesen, womit wir eine schnelle und einfache Pathogenerkennung ermöglichten (Patente noch ausstehend). Gleichzeitig werden die Technologien der Mikroresonanz-Biosensoren bald empfindlich genug sein, um potentiell die Bindung eines einzelnen Mikroorganismus zu erkennen, was die ultimative Nachweisgrenze darstellt. Und der Flüssigkristallsensor eröffnet eine außerordentlich simple und kostengünstige Diagnosemethode, die entweder visuell (ganz ohne zusätzliche Instrumente!) oder über einfache optoelektronische Untersuchung mit Miniaturlesern oder sogar Handykameras möglich ist. Die Mikroresonatoren wurden bereits in verschiedenen von Experten geprüften Fachzeitschriften vorgestellt, und ein Patent wurde eingereicht, um die Technologie des Flüssigkristallsensors schützen zu lassen. Hinsichtlich der technologischen Biosensorentwicklung übertrafen die Projektergebnisse die Erwartungen der Teilnehmer also bei Weitem. Wann könnten Patienten und im Gesundheitswesen tätige Personen von Ihren Erkenntnissen profitieren? Wann sich das Projekt für die Gesellschaft auszahlt, hängt größtenteils davon ab, wie konservativ sich der Gesundheitssektor verhält. Es wird selbst mit dem fertiggestellten Produkt, dem Eva-Sensor, äußerst schwer werden, in den nächsten zwei Jahren spürbare Eindrücke zu hinterlassen. Und das obwohl Davos Diagnostics im Laufe des Projekts – und zum Teil dank diesem Projekt – eine ISO-Zertifizierung erhalten hat. Längerfristig (in den nächsten drei bis fünf Jahren) erwarten wir, dass der Eva-Sensor in Krankenhäusern weit verbreitete Anwendung finden wird, was sich im schnelleren und einfacheren Nachweis einer Vielzahl von Pathogenen und anderer biologischer Targets niederschlagen wird. Die Zukunft sowohl der Flüssigkristall- als auch der Mikroresonanzsensoren wird gänzlich von den industriellen Partnern abhängen, bei denen das Konsortium Interesse an diesen Technologien wecken kann. Weitere Informationen sind abrufbar unter: RAPTADIAG http://www.raptadiag.eu/

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