Atomare Defekte in Diamanten für Quantenvernetzung ausnutzen
Silizium- und Zinn-Vakanz-Zentren sind Defekte im Kristallgitter von Diamanten. Die einzigartigen Eigenschaften dieser hellen, optischen Schmalband-Emitter, die aus einem Silizium- (oder Zinn-)Atom bestehen, das zwei benachbarte Kohlenstoffatome des Diamanten ersetzt, machen sie zu hervorragenden Kandidaten für Qubits. „Atomare Verunreinigungen in Diamanten können Informationen mithilfe ihres Spins verarbeiten. Diese Eigenschaft ist vergleichbar mit einem kleinen Magneten, der an den atomaren Defekt gebunden ist und von der Quantenmechanik gesteuert wird“, erklärt Benjamin Pingault, Koordinator des COHESiV-Projekts, das über die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen finanziert wurde.
Mechanische Erschütterungen als Vermittler des Informationsaustauschs
Der Spin von Silizium-Vakanz-Zentren kann Informationen aus Photonen kodieren. Nach der Kodierung müssen die Informationen verarbeitet und an andere Spins weitergegeben werden. Aber wie könnte dieser Informationsaustausch zwischen anderen Qubits stattfinden? Die Antwort liegt in der einzigartigen Empfindlichkeit dieser Zentren für Erschütterungen im Diamantgitter. Pingault erläutert: „Wir haben also versucht, Erschütterungen kontrolliert zu erzeugen. Auf diese Weise können wir den Spin von Silizium-Vakanz-Zentren kontrollieren und die Interaktion mit anderen Spins anregen.“ Mechanische Erschütterungen erzeugen Wechselwirkungen mit verschiedenen physikalischen Systemen und dienen als Vermittler zwischen sehr unterschiedlichen Quantensystemen, die sonst nicht interagieren könnten. Diese Wechselwirkungen beeinträchtigen jedoch die empfindliche Natur der Quanteninformationen. „Quanteninformationen können anfällig sein, und Spins können sie nur für eine begrenzte Zeit zuverlässig erhalten“, erklärt Pingault. „Um diese Speicherzeit zu verlängern, nutzen wir Spins, die zu den Kernen bestimmter Kohlenstoffatome im Diamanten gehören. Diese Kernspins interagieren nur minimal mit ihrer Umgebung und eignen sich hervorragend als Datenspeicher.“
Lange Kohärenzzeiten bei Kernspin-Qubits
Im Rahmen von COHESiV gelang es den Forschenden, den Spin einzelner Silizium-Vakanz-Zentren mit akustischen Oberflächenwellen zu koppeln. „Diese mechanischen Erschütterungen breiten sich nur an der Materialoberfläche aus, wie Wellen auf dem Wasser. Durch das Senden von genau getakteten Erschütterungen konnten wir den Quantenzustand der Silizium-Vakanz-Spins in bestimmten Intervallen kontrollieren“, berichtet Pingault. „Es ist uns auch gelungen, die Kernspins in der Nähe zu kontrollieren, was das enorme Potenzial aufzeigt, Informationen über Dutzende von Millisekunden zu speichern – ausreichend lange, um viele Quantenalgorithmen auszuführen“, betont Pingault. „Unsere Forschung hat gezeigt, dass Kernspinpaare eine der längsten Kohärenzzeiten der Festkörperplattformen haben“, sagt Pingault. „Wenn wir die Mechanismen verstehen, durch die sie Informationen für so lange Zeiträume speichern können, könnten wir die Empfindlichkeit von Quantensystemen für ihre Umgebung reduzieren und sie so weniger anfällig für Fehler in Quantenalgorithmen gestalten.“ Um diese Speicherzeit weiter zu erhöhen, untersuchten die Forschenden Kernspins, die eng beieinander liegen und Paare innerhalb des Diamantgitters bilden. „Wir haben herausgefunden, dass diese Paare dank einer Kombination spezifischer Eigenschaften, die ihre Empfindlichkeit für die Umgebung deutlich senken, Quanteninformationen über eine Minute lang speichern können“, fügt Pingault hinzu. Schließlich untersuchten die Forschenden eine kürzlich entdeckte Verunreinigung in Diamanten – das Zinn-Vakanz-Zentrum. Ähnlich wie das Silizium-Vakanz-Zentrum besitzt es einen Spin, weist aber überlegene optische Eigenschaften auf. Durch die Einbettung einzelner Zinn-Vakanz-Zentren in photonische Kristallhohlräume konnte das Team die Wechselwirkung der Zinn-Vakanz mit dem Licht verbessern und so die Effizienz des Informationsaustauschs zwischen Quantennetzen steigern.
Schlüsselbegriffe
COHESiV, Diamant, Kernspin, Silizium-Vakanz-Zentrum, Quantennetze, atomarer Defekt, Kohärenzzeit, Informationsaustausch