3D-Organoide geben Einblicke in Stammzellbiologie
Die Gewebehomöostase ist ein streng regulierter Prozess, dessen Störung zu Krankheiten oder Krebs führen kann. Unter physiologischen Bedingungen werden Selbsterneuerung und Differenzierung über Signale an die körpereigenen Stammzellen im Gewebe gesteuert, um die Gewebehomöostase zu erhalten. Die Anzahl vorhandener Stammzellen wird vor allem über die Transkription reguliert, zu wenig ist allerdings noch bekannt über die Rolle posttranskriptioneller und -translationaler Modifikationen wie RNS-Methylierung und Protein-Ubiquitinierung in der Stammzellbiologie. Darm-Organoide: ein Modellsystem für die Stammzellforschung Das durch ein Marie-Curie-Programm unterstützte EU-finanzierte Projekt IntestineUb untersuchte nun an primären 3D-Darm-Organoiden verschiedene Aspekte der Stammzellbiologie wie Multipotenz, Erhalt und Differenzierung. Wie Dr. Ya-Lin Huang als Prüfleiter des Projekts erklärt, sind „primäre Darm-Organoide ein leistungsfähiges In-vitro-System, an dem sich die Epithelstruktur in vivo darstellen lässt, und an dem im wesentlichen alle wichtigen experimentellen Technologien getestet werden können.“ Schwerpunkt waren Enzyme der RNS-Methylierung, etwa die Nop2/SUN-Familie (NSUN) der RNS-Methyltransferasen, sowie deubiquitinierende Enzyme (DUB) als wichtige Akteure beim Proteinabbau. Ziel war es, die Expressionsmuster dieser Enzyme und Funktionsverlust-Phänotypen bei Stammzellen zu charakterisieren und jene zu identifizieren, die die Zahl vorhandener Stammzellen regulieren. Mit der CRISPR/Cas9-Technologie führten die Forscher Funktionsverlust-Studien an Darm-Organoiden und Hautkeratinozyten durch, mit Schwerpunkt auf verschiedenen NSUN- und DUB-Genen. Mittels groß angelegter gentechnischer Versuche und In-vitro-Assays gelang es, den Effekt geeigneter NSUN und DUB auf Signalwege zu untersuchen, die an der Regulierung der Homöostase beteiligt sind. In einem weiteren Projektabschnitt untersuchte IntestineUb die Rolle des Wnt-Signalwegs bei der Proliferation von Stammzellen des Darms. Obwohl zum Wnt-Signalweg in verschiedenen Arten von Stammzellen bereits ausführliche Studien vorliegen, werden darin meist Effekte des Wnt-Signalwegs beschrieben, die über die transkriptionelle Aktivierung durch β-Catenin hervorgerufen werden. IntestineUb hingegen untersuchte die β-Catenin- und transkriptionsunabhängige Aktivierung des Wnt/STOP-Signalwegs, bei der die Proteinabundanz durch Abbauprozesse reguliert wird. Während die Funktion des Wnt/STOP-Signalwegs bei Darm-Organoiden validiert wurde, entdeckten die Forscher DUB als Ziel des Signalwegs. Fortschritte bei Geweberegeneration und Krebstherapie Analysen der Signalwege, die durch Stammzellen reguliert werden, sind ein unerlässliches Werkzeug für die Grundlagenforschung zu Störungen der Homöostase als Ursache für Krankheiten und Krebs. Doch trotz Jahrzehnten der Forschung ist erst recht wenig bekannt über die Funktion von NSUN- und DUB-Enzymen bei der Homöostase von Epithelstammzellen. Dr. Huang betont, dass sich der „einzigartige und innovative Ansatz von IntestineUb vor allem darin zeigt, dass biochemische Analysen von NSUN und DUB mit physiologischen Aspekten der Homöostase von Epithelstammzellen kombiniert werden.“ Die Ergebnisse der Studie liefern spektakuläre Erkenntnisse zur Stammzellbiologie und sind Grundlage für künftige Untersuchungen von NSUN- und DUB-Enzymen auf der Suche nach neuen therapeutischen Zielstrukturen. So soll demnächst vor allem die physiologische Rolle wichtiger NSUN- und DUB-Gene in vivo an Knockout-Mausmodellen geklärt werden. Aus klinischer Sicht könnten die Ergebnisse von IntestineUb die Suche nach Inhibitoren fördern, die die Stammzellfunktion modulieren und möglicherweise gegen Hyperplasien eingesetzt werden können. Laut Dr. Huang sind „Forschungen zu Biologie und Eigenschaften von Gewebestammzellen der Schlüssel für neue regenerative Therapien.“
Schlüsselbegriffe
IntestineUb, Stammzelle, DUB, NSUN, Darm-Organoid, Enzym, Homöostase, Hyperplasie, Wnt-Signalweg, In-vitro-Assay, CRISPR/Cas9